Es ist dies ein Roman über die zwei schwierigsten Themen, die es gibt; es ist dies nämlich ein Jugendbuch über den Krieg und über die Demenz. Es ist ein trauriges und ein lustiges, ein bewegendes und berührendes Buch. Es ist ein im Wortsinn ver-rücktes Buch, es ist nämlich eines, das seinen Frieden macht mit dem Krieg und seinen Frieden mit der Demenz. Kai ist ein elfjähriger Junge, sein Großvater ist hundert; Opa war im Krieg, er hat nur noch ein Auge, aber dafür seine heldenhaften Kriegserlebnisse, die er seinem Enkel immer wieder erzählt hat, die er jetzt aber vergisst. Er vergisst alles, er vergisst, dass ihm, angeblich, an einem einzigen Tag sieben Orden verliehen worden sind und dass, angeblich, er es war, der den Krieg beendet hat. Manchmal vergisst der Opa sogar, dass er einen Enkel hat, der Kai heißt.

Der Schriftsteller Zoran Drvenkar (der in Kroatien geboren wurde und als Dreijähriger mit seinen Eltern nach Berlin zog) beschreibt wunderbar einfühlsam, wie der Elfjährige dieses große Vergessen erlebt: „Jedes Mal, wenn Kai seinen Großvater besucht, ist es, als würden sie zusammen einen Berg besteigen und dabei einen Stein vor sich herrollen. Und immer, kurz bevor sie den Gipfel erreichen, macht Opa eine Verschnaufpause und Kai kann den Stein nicht mehr allein halten, und so rollt dieses blöde Ding wieder runter und alles beginnt von vorne. Der Stein ist Opas Gedächtnis und Kai fürchtet sich davor, dass der Stein irgendwann zu schwer wird und sie es nicht mehr bis zum Berggipfel schaffen. Zwischendurch gibt es auch Tage, an denen sein Großvater alles weiß und nichts vergisst. Aber diese Tage werden immer weniger. Und weil das so ist, ändert Kai seine Taktik. Er will Opa retten und wenn man jemanden retten will, muss man manchmal besonders erfindungsreich sein. Und so sagt er: ‚Ich bin Kai, Opa, ich bin dein Gedächtnis.‘“

Kai entführt seinen Opa in dessen Vergangenheit und erlebt verstört, dass dessen Heldenerzählungen der Wirklichkeit nicht standhalten. Das alles hat aber nichts Abrechnendes, nichts Entlarvendes. Kai liebt seinen Opa, auch wenn der kein Held war. Er kann in Frieden leben mit seinem Großvater.

Zoran Drvenkar: Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück. Das Jugendbuch ist 2023 im Hanser-Verlag erschienen, es hat 160 Seiten und kostet 17 Euro.

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