Der Kanzlerkandidat der Union übernimmt rechtsextreme Forderungen und erklärt Bürger mit einer Doppelstaatsbürgerschaft zu Halbdeutschen. Das ist eine Art Verkicklichung der CDU.

 

Von Heribert Prant

Friedrich Merz ist ein Mauerspecht. Er ist der Mauerspecht des Jahres 2025. Die Mauer, die er bearbeitet, ist die Brandmauer zwischen CDU und AfD. Die alten Mauerspechte, die von 1989, waren aktiv nach dem Fall der Berliner Mauer: Es handelte sich um Souvenirjäger und um professionelle Händler, die mit Stücken, die sie aus der gefallenen Mauer herausgehämmert hatten, Geschäfte machen wollten. Der Mauerspecht von heute, der Mauerspecht Merz, will auch Geschäfte machen – keine kleinen kommerziellen Geschäfte wie die Mauerspechte von damals. Er will große Geschäfte machen, große politische Geschäfte: Er will Kanzler werden, indem er in seinem Programm zur Bundestagswahl rechtsextreme Forderungen komplett übernimmt.

Er propagiert das, was auch die Rechtsdraußen-Parteien AfD und FPÖ propagieren: Er will für die Doppelstaatsbürger die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft als Strafe einführen. Bürgerinnen und Bürger, die eine deutsche und noch eine weitere Staatsbürgerschaft haben, sollen ausgebürgert werden können, wenn sie eine Straftat begangen haben. Das betrifft potenziell fast drei Millionen Menschen in Deutschland; so viele Doppelstaatsbürger gibt es in der Bundesrepublik.

Merz will eine Zweiklassen-Staatsangehörigkeit einführen: Erstens eine echte, eine stabile und feste Staatsbürgerschaft, die nicht entzogen werden kann und also eine verlässliche Grundlage für die Zugehörigkeit zu diesem Land ist; und zweitens eine unechte, eine instabile und flüssige Staatsbürgerschaft, die keine verlässliche Grundlage für die Zugehörigkeit zu diesem Land ist. Die einen Deutschen sind dann ganz drinnen, die anderen Deutschen nur ein bisschen; so hat das die Völkerrechtlerin Dana Schmalz soeben im „Verfassungsblog“ formuliert.

Eine Rückwärtsreform des Staatsbürgerschaftsrechts

Dieser Merz-Plan widerspricht Recht und Gesetz, er widerspricht dem Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention; er entspricht aber der Grundhaltung der AfD und der FPÖ. Und er entspricht der Forderung des österreichischen Kanzlers ante portas Herbert Kickl, wonach das Recht der Politik zu folgen habe und nicht die Politik dem Recht. Wir erleben also einen heimlich-unheimlichen Schulterschluss der Kanzlerkandidaten – des österreichischen Kanzlerkandidaten Herbert Kickl und des deutschen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Merz betreibt die Kicklisierung der CDU.

Er forciert ihre Verkicklichung – und sagt aber gleichzeitig, dass die Brandmauer zu Rechtsaußen bestehen bleibe, dass er sich dafür verbürge. Das ist schwarz-blaue Dialektik. Es ist zu befürchten, dass Beteuerung des deutschen Kanzlerkandidaten so wenig Bestand hat wie der Schwur der ÖVP im österreichischen Wahlkampf, dass man nie einen Kanzler Kickl akzeptieren werde. Die ÖVP ist eidbrüchig geworden.

Die Doppelstaatsbürgerschaft, wie sie heute möglich ist, hat historischen Rang: Sie würdigt die Leistung der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter; sie haben sich die deutsche Staatsbürgerschaft wirklich hart erarbeitet. Und sie bindet ihre Kinder und Enkel ein in die Gesellschaft und die Demokratie der Bundesrepublik. Sie verlangt von den migrantischen Menschen, die in zwei Kulturen zu Hause sind, nicht, sich zu zerreißen. Sie nimmt sie so, wie sie sind: mit ihrer Geschichte, ihrer Tradition, ihren Wurzeln und der Identität, die sich daraus ergibt.

Eine Vorstufe zu den unsäglichen Remigrationsplänen

Die Anerkennung einer doppelten Staatsbürgerschaft ist die Anerkennung der Lebenswirklichkeit. Zu dieser Lebenswirklichkeit gehört im Übrigen auch, dass es Staaten gibt, die ihre Bürger aus der Staatsbürgerschaft nicht entlassen –sodass zum Beispiel Syrer, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben und hier eingebürgert sind, noch Syrer sind, ohne dass sie es wollen. Nach dem Merz-Plan könnten sie künftig, wenn sie irgendeine Straftat begehen, ausgebürgert werden. Die Politiker, die die Zweiteilung des Staatsangehörigkeitsrechts vertreten, tun so, als ginge es ihnen um die Ausbürgerung von Terroristen, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Aber solche Fälle gibt es praktisch nicht.

Merz und Co tun so, als handele es sich um eine Sicherheitsmaßnahme. Ihre Pläne sind keine Sicherheitsmaßnahme, sondern sie verunsichern Millionen Bürger in Deutschland. Sie sind de facto eine Art Vorstufe zu den unsäglichen Remigrationsplänen von AfD und FPÖ. Sie schüren Feindseligkeiten gegenüber Deutschen mit migrantischen Wurzeln, erklären sie zu Minderbürgern, zu nur Halbdeutschen. Das ist hässlich, das ist gehässig; das ist auch, zu einer „C“-Partei darf man das sagen, unchristlich. Die Merz-CDU tut so, als wolle sie die Gesellschaft in Deutschland vor der Vergiftung durch die AfD retten; sie betreibt aber Selbstvergiftung. Der Plan zur Rückwärtsreform des Staatsbürgerschaftsrechts ist dabei die erste Portion. Sie widerspricht dem Wahl-Slogan der CDU, der „wieder nach vorne“ heißt. Das Vorne des Friedrich Merz ist ein Rückwärts.


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