Guten Tag,

die Zahl 13 gilt als Unglückszahl. Hans-Georg Maaßen kann nichts dafür, dass er einst, es war im Jahr 2012, ausgerechnet der 13. Präsident des Bundesverfassungsschutzes geworden ist. Er kann aber sehr wohl etwas dafür, dass er heute wie einer von denen redet, die der Verfassungsschutz eigentlich beobachten soll.

Eine merkwürdige Hingezogenheit

So hat er auch schon geredet, als er noch Präsident des Verfassungsschutzes war. Und das tut er jetzt, als Bundestagskandidat der thüringischen CDU, fortwährend. Damals, als Verfassungsschutzpräsident, weckte Maaßen Zweifel daran, dass er rechtsextreme Ausschreitungen und rechtsradikale Hetze ernst nimmt. Er redete das klein. Er hätschelte die AfD. Er kümmerte sich um sie nicht mit der gebotenen Distanz, sondern mit merkwürdiger Hingezogenheit.

Machen, was anderswo verboten ist

In seinem Mönchengladbacher Heimatblatt, dem Stadt- und Landboten Rheindahlen, gab er 2015 ein Interview, das mit einem bemerkenswerten Satz endet. Beim Verfassungsschutz, so sagte der damalige Präsident, „kann man das machen, was anderswo verboten ist“. Was er damit genau meinte, sagte er nicht. Aber er führte die besondere Attraktivität des Verfassungsschutzes für Bewerber und Mitarbeiter darauf zurück. Die Äußerung war, vorsichtig gesagt, missverständlich; sie offenbarte ein merkwürdiges und fehlgeleitetes Amtsverständnis – das sich später in vertraulichen Gesprächen mit AfD-Funktionären zeigte und in beschwichtigenden öffentlichen Bemerkungen über ausländerfeindliche Straftaten in Chemnitz.

Der Mann mit dem Schellenbaum

Als er deswegen im Jahr 2018 nach sechs Jahren abgelöst und von Bundesinnenminister Horst Seehofer in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, verurteilte er in seiner ebenso selbstverliebten wie illoyalen Abschiedsrede die Kritik an seinem Verhalten, an seinen Reden und an seiner Ablösung als linksradikale Verschwörung der SPD gegen ihn. Das war schon reichlich verrückt. Das war so verrückt, dass man sich fragte, ob nicht der Nachfolger im Amt des Verfassungsschutzpräsidenten seinen Vorgänger beobachten sollte. Dazu braucht es freilich keine geheimdienstlichen Mittel, denn Maaßen läuft klingelnd mit dem Schellenbaum durch die Lande.

Soeben hat Maaßen Journalisten des Norddeutschen Rundfunks in die Nähe von Linksextremisten gerückt. Er forderte, die Redakteure der ARD-Tagesschau sollten auf ihre Kontakte ins linke bis linksextremistische Spektrum überprüft werden. Er forderte einen Untersuchungsausschuss, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Allgemeinen und die Tagesschau im Besonderen einen klaren Linksdrall habe. Das verlockt erst einmal zur Bemerkung, dass Maaßen einen sehr heftigen Rechtsdrall hat. Gewiss: Die Meinungsfreiheit ist ein gnädiges Grundrecht. Sie gilt auch für rechtsdrallige Meinungen. Und als Privatperson genießt ein jeder ohnehin Meinungsfreiheit bis hin zur Narrenfreiheit. Für ein Parteimitglied, für einen Bundestagskandidaten zumal, gelten aber freilich Grenzen, die die Partei ziehen darf. Und so wird das Problem Maaßen zum Problem für Armin Laschet, den CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten der Union.

Von Hohmann zu Maaßen

Man kann sich fragen, ob Hans-Georg Maaßen für Laschet das ist oder wird, was einst für Angela Merkel der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann war. Das Problem Hohmann war Merkels erste große Bewährungsprobe als Fraktionschefin der Union im Bundestag: Auf eine antisemitische Rede des damaligen CDU-Abgeordneten Hohmann zum Einheitstag am 3. Oktober 2003 reagierte Merkel 2003 erst mit dessen Ausschluss aus der Fraktion, dann 2004 mit dessen Ausschluss aus der CDU. Bei der Abstimmung in der Fraktion gab es nicht wenige, nämlich 43 Gegenstimmen. Aber Merkel wollte die Selbstvergiftung der CDU mit braunem Gedankengut verhindern. Hohmann ging vergeblich vor das höchste Gericht, um gegen den Ausschluss zu klagen. Er blieb bis 2005 als fraktionsloser Abgeordneter im Bundestag und zog dann nach der Wahl von 2017 erneut ins Bundesparlament ein – nun für die AfD; er war der einzige von 94 AfD-Abgeordneten mit Bundestagserfahrung. Er kandidiert auch wieder für den nächsten Bundestag, auf Platz 6 der hessischen Landesliste. Bei der Nominierungsversammlung sagte er: „Was vor 20 Jahren in der CDU noch richtig war, darf heute nicht mehr gesagt werden.“

Rechtsraunend und auftrumpfend

Maaßen ist kein Antisemit. Aber dieser Satz könnte auch von ihm stammen. Er war lange die Galionsfigur eines sehr rechtskonservativen Vereins namens Werte-Union, in der alte rechtsrandige Positionen der Union vertreten werden. Seitdem vor ein paar Wochen der Ökonom Max Otte zum Vorsitzenden dieser Werte-Union gewählt worden ist, lässt Maaßen seine Mitgliedschaft dort ruhen. Otte war einige Jahre lang Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung und hat Wahlempfehlungen für die AfD ausgesprochen.

Thesen, wie sie Maaßen heute vertritt, waren der CDU nicht fremd: Jörg Schönbohm, damals Berliner Innensenator, war 1998 der erste, der vor „Überfremdung“ warnte, weil die multikulturelle Gesellschaft „die Aufgabe der deutschen Leitkultur zugunsten gleichrangiger Parallelgesellschaften billigend in Kauf nimmt“. Seitdem kam die Leitkultur immer wieder auf den Tisch. Friedrich Merz machte seinerzeit eifrig mit; er war da Fraktionschef der Union und in dieser Funktion der Vorgänger Merkels.

Maaßen war nicht immer so rechtsraunend und auftrumpfend, wie er es als Verfassungsschutzpräsident und Ex-Verfassungsschutzpräsident wurde. Der heute 58-Jährige galt einst als zurückhaltender Beamter, er war Büroleiter von Claus Hennig Schapper, der Staatssekretär unter Bundesinnenminister Otto Schily war. Aber in dieser Zeit hat er wohl gelernt, dass es besser ist aufzutrumpfen, als sich falten und knicken zu lassen. Sein Chef Schapper, der von stoischer Geduld war, wurde von Schily immer wieder öffentlich gedemütigt. Maaßen zog daraus die Lehre, dass es besser ist, selber den Schily zu spielen: Er wurde ein Law-and-Order-Mann, Referatsleiter für Ausländerecht und Leiter des Stabs Terrorismusbekämpfung. Dem Bremer Murat Kurnaz, der unschuldig viereinhalb Jahre ohne Anklage im US-Gefangenenlager in Guantanamo gesessen hatte, wollte er die Wiedereinreise nach Deutschland mit einer frivolen und zynischen Begründung verweigern: Der Mann habe sein Rückkehrrecht verwirkt, da er länger als sechs Monate im Ausland gewesen sei.

Als Verfassungsschutzpräsident war Maaßen dann ein sehr selbstbewusster Präsident, einer, der dem Laden wieder Selbstbewusstsein gab. Er genoss den Respekt, der ihm dort entgegengebracht wurde – ließ sich aber dann vom eigenen Nimbus und dem Wind, den er selbst erzeugte, hinwegtragen. Aus einem Staatsdiener wurde ein Staatsschauspieler, wurde ein Geheimdienstler, der am liebsten gar nicht mehr im Geheimen arbeitete, sondern mit der großen Glocke läutete.

Der Blechtrommler der AfD

Er beklagte sich entrüstet über angeblich zu viel demokratische Kontrolle des Geheimdienstes. Bei seiner Vernehmung vor dem NSA-Untersuchungsausschuss schob er 2016 die Schuld an einem künftigen Anschlag mehr oder minder den Parlamentariern zu: Seine Geheimdienstleute und er, so klagte Maaßen, kämen bei all den Vorladungen ja kaum mehr zu ihrer Aufklärungsarbeit. Bei dieser Gelegenheit löste Maaßen Verwunderung auch dadurch aus, dass er den Abgeordneten darlegte, es könne sich bei Edward Snowden um einen russischen Spion handeln.

Maaßen wollte, das wurde immer offensichtlicher, nicht mehr Zuarbeiter für Staat und Regierungspolitik sein, sondern selbst Politik machen. Er tat es und er tut es – zum Schaden der CDU. Dort ist er der Blechtrommler der AfD.

Eine erholsame Ferienzeit wünsche ich Ihnen – ein großes Auftanken vor einem hoffentlich möglichst corona-freien Herbst

Ihr

Heribert Prantl,
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung


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