Wie Union, SPD, Grüne und Linke vergangene Woche im Bundestag miteinander die Zivilgesellschaft in Gestalt der Amadeu-Antonio-Stiftung geschützt haben.
Von Heribert Prant
Es gehört dies zu den schönen Erkenntnissen der vergangenen Woche: Es gibt die Gemeinsamkeit der Demokraten, es gibt sie wirklich; und es gibt sie nicht nur auf dem Papier, sondern in der Tat. Diese Gemeinsamkeit hat sich am vergangenen Mittwochabend im Bundestag gezeigt. Das ist eine gute Nachricht in einer Zeit, die mit guten Nachrichten ansonsten nicht so gesegnet ist.
Die AfD hatte versucht, mit einem kulturkämpferischen Antrag im Bundestag die staatliche Förderung der Amadeu-Antonio-Stiftung aus Bundesmitteln zu beenden. Diese Stiftung existiert seit 27 Jahren; sie ist benannt nach einem jungen Mann aus Angola, der 1987 von der DDR als Vertragsarbeiter ins Land geholt worden war und dann im November 1990, also kurz nach dem Vollzug der deutschen Einheit, in Eberswalde, Brandenburg, von einem Pulk Neonazis totgetrampelt wurde. Die 1998 gegründete Stiftung hat knapp hundert hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; sie unterstützt Demokratieprojekte, sie ermutigt Opferschutzinitiativen, sie arbeitet gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Die Amadeu-Antonio-Stiftung gehört zu den markanten Akteuren der Zivilgesellschaft in Deutschland. Die AfD hatte darauf gehofft, die Union würde die Konsequenzen daraus ziehen, dass sie, die CDU/CSU selbst, mit den Initiativen und den Aktivitäten der Stiftung nicht immer einverstanden ist. Aber die Redner auch der Union gaben der AfD eine kleine Lehrstunde in Demokratie.
Vom Licht und vom Stromkreis
Der CSU-Abgeordnete Konrad Körner aus dem Wahlkreis Erlangen wies zwar auf weltanschauliche Unterschiede zwischen seiner Partei und der Stiftung hin, betonte aber ausdrücklich die Wichtigkeit von deren Stiftungsarbeit. Die Union könne im Detail Kritik daran üben, ohne deren grundsätzliche Bedeutung infrage zu stellen. Marvin Schulz von der CDU aus Berlin-Reinickendorf fand ein schönes Bild für das bisweilen umstrittene zivilgesellschaftliche Engagement der Stiftung: Die Förderung sei „kein Stromkreis, den wir nach Belieben abschalten können, nur weil uns das Licht nicht gefällt“. Sein Fazit: „Kritik ja, Kontrolle selbstverständlich, aber Vorverurteilung nicht.“
Der Grünen-Abgeordneten Misbah Khan aus Rheinland-Pfalz war klar, dass die AfD-Kampagne gegen die Amadeu-Antonio-Stiftung nur ein Schritt dahin sei, die komplette Zivilgesellschaft zum Feind zu erklären: Was heute nur für die Stiftung gefordert würde, könnte morgen genauso für andere Organisationen gefordert werden: für die Konrad-Adenauer-Stiftung, für die Landjugend, den Zentralrat der Jüdinnen und Juden, für den Bauernverband oder für das Anne-Frank-Zentrum. Die Kampagne der AfD würde nicht aufhören, bis alle ihr unliebsamen Stimmen zum Schweigen gebracht seien: „Das ist das autoritäre Muster, das wir in unserem Land nicht zulassen dürfen.“ Clara Bünger von der Linken (Wahlkreis Dresden–Bautzen) erklärte die AfD zur größten Gefahr für die Gesellschaft; die Förderung der Stiftung sei daher wichtig, weil es Demokratie „eben nicht zum Nulltarif“ gebe.
Dass es weniger brennt
Felix Döring von der SPD (Wahlkreis Gießen) wies beredt darauf hin, dass die Amadeu-Antonio-Stiftung schon sehr frühzeitig, lange vor dem Verfassungsschutz, vor dem gesicherten Rechtsextremismus der AfD gewarnt habe. Demokraten, so sagte er, könnten und dürften da nicht neutral sein, so wie die Feuerwehr auch nicht neutral sein könne gegenüber einem Wohnungsbrand: „Die Amadeu-Antonio-Stiftung arbeitet Tag für Tag dafür, dass es weniger brennt“, so sagte Döring in Richtung AfD, „während Sie Tag für Tag dafür arbeiten, dass ein Feuer nach dem nächsten gelegt wird.“
Die Amadeu-Antonio-Stiftung wurde gegründet von der Publizistin und Bürgerrechtlerin Anetta Kahane; Stifter war Karl Konrad Graf von der Groeben; Schirmherr ist der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse; Stiftungsratsvorsitzende derzeit die ehemalige Karlsruher Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt. Aufsehenerregend sind die Projekte der Stiftung gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus, die „Mut gegen rechte Gewalt“ oder „Kein Ort für Neonazis“ heißen. Bereits vor zwei Jahren hatte die AfD vergeblich versucht, beim Berliner Finanzamt die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Stiftung zu erwirken. Die Gemeinnützigkeit wurde aber nach eingehender Prüfung bestätigt.
In Kürze wird des fünfzigsten Todestages von Hannah Arendt gedacht. Die Philosophin hat einmal voller ironischem Pessimismus gesagt: „Vor dem Antisemitismus ist man nur noch auf dem Monde sicher.“ Für den Rassismus gilt das auch. Die Arbeit der Amadeu-Antonio-Stiftung gehört zu den beschwerlichen, immer wieder scheiternden, aber unendlich wichtigen Versuchen, den Mond auf die Erde zu holen.
