Ob Trumps Ukraine-Politik oder der Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer: In der Hoffnung steckt die Kraft zum Handeln. Gedanken zum Geist der Menschlichkeit.

Von Heribert Prant

Viele kluge Menschen halten den amerikanischen Präsidenten Donald Trump für einen Blödian. Können Blödiane Frieden stiften, Frieden in der Ukraine? Vor 230 Jahren publizierte der Philosoph Immanuel Kant die Erstfassung seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“. Kant lehrt in dieser Schrift etwas sehr Wichtiges: Dass der Frieden kein natürlicher Zustand sei, sondern dass er gestiftet werden müsse. Sei nicht Donald Trump auch so eine Art Stifter, selbst wenn er sich selbst „Dealmaker“ nenne – sagen da ein paar Leute, die mir einschlägige Leserbriefe schreiben. Ein Friedensstifter? Wirklich? Der Friede, den er stiften will, wird nicht gestiftet, sondern angerichtet, er wird diktiert; Trump will die Kapitulation des überfallenen Staates Ukraine, er will, dass die Ukraine kapituliert. Er will das aus kommerziellen Gründen, um möglichst schnell die Seltenen Erden, die Bodenschätze der Ukraine, ausbeuten zu können. Beim Sinnieren über das Trumpsche Reden fällt einem daher der phonetische Zusammenhang von Kapitalismus und Kapitulation auf. Es geht Trump nicht um das Ende des Tötens und Mordens, es geht ihm um die Kapitulation der Ukraine aus kapitalistischen Motiven. Kapitalismus ist Ausbeutung; Trump will die Ukraine ausbeuten. Darin besteht der Deal, von dem er so gern redet.

Innerer Frieden – eine Utopie?

Wir leben in einer Zeit, in der an die Stelle des Glaubens an den Fortschritt der Aufklärung das Gefühl fortschreitender existenzieller Unsicherheit tritt. In solchen Zeiten hat man die Wahl: Man kann sich einbunkern in der kläglichen Erwartung, dass man stirbt, bevor die Katastrophe final hereinbricht. Man kann sich in Zynismus flüchten. Und ein jeder, ob betucht oder nicht, kann sich die Augen und die Ohren zuhalten, damit er nichts mehr sieht und hört von der Gewalt in der Ukraine und im Nahen Osten, von den ertrinkenden Flüchtlingen im Mittelmeer, von Aufrüstungs- und den Atomkriegsszenarien. Man kann aber auch mutig sein und hoffen; man kann an eine erträgliche Zukunft glauben und darauf hinarbeiten, und sei es auch bloß durch offene, ringende Diskussion. Das Ziel: Frieden stiften, auch inneren Frieden. Eine Utopie? Ja, eine Utopie.

Die Egozentrik der Hoffnungslosigkeit

Utopie besteht in der konkreten Verneinung der als unerträglich empfundenen gegenwärtigen Verhältnisse – mit der Perspektive und der Entschlossenheit, das Gegebene zum Besseren zu wenden. Der verstorbene Soziologe Oskar Negt hat das einmal so formuliert. Er hat recht. Es gibt daher eine Pflicht zur Hoffnung, auch in furchtbaren Zeiten. Warum? In der Hoffnung steckt Kraft zum Handeln. Das ist nun aber kein Plädoyer dafür, Gefahren schönzureden. Hoffnung sieht die Gefahr; sie verweigert aber Unglück und Unheil den totalen Zugriff.

Es gibt eine Egozentrik der Hoffnungslosigkeit, die Optimismus fast als Beleidigung empfindet. Man kann Zukunftslosigkeit, zumal angesichts der Lügen, der Rücksichtslosigkeit und der Niedertracht des amtierenden US-Präsidenten, so finster beschreiben, dass die Zukunft vor einem wegläuft. Aber solches Katastrophisieren führt zu Depression und Aggression. Selbst wenn es keinen Anlass zum Hoffen gibt, gibt es doch einen Grund dazu: Da, wo man jede Hoffnung fahren lässt, wird die Welt zur Hölle. Hoffnung lässt die Welt nicht zum Teufel gehen.

Mehr als Optimismus

Wie geht so ein Hoffen? Muss man sich selbst – bevor man anfängt, etwas zu tun – die Gewissheit einreden, dass es etwas bringen wird? So ist es nicht. Václav Havel, als Dissident immer wieder inhaftiert und später erster Staatspräsident der Tschechischen Republik, hat es so formuliert: „Je ungünstiger die Situation ist, in der wir unsere Hoffnung bewähren, desto tiefer ist diese Hoffnung. Hoffnung ist eben nicht Optimismus. Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht. Sondern Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“ Deshalb darf, deshalb muss man auch im Ukraine-Krieg die Hoffnung haben, dass in Verhandlungen ein Weg zum Frieden gefunden werden kann. Es war ein unheilvoller Defätismus zu sagen, dass das eh nichts bringt und man das deshalb gar nicht erst versucht. Es wäre gut gewesen, wenn Europa nicht auf einen Trump gewartet hätte, um Verhandlungen zu beginnen.

21 Tage Stille

Hoffnung beginnt damit, dass man sich nicht die Augen zuhält. Hoffnung beginnt damit, dass man sich die Katastrophen vor Augen hält. Das ist der Sinn einer kleinen Ausstellung, die sich im alten Gasteig, dem riesigen Veranstaltungszentrum in München, findet. Sie besteht nur aus einem winzigen schwarzen Raum, einem Kubus, auf dem außen „21 Tage Stille“ und innen eine Leinwand steht. Man fährt die Rolltreppe hoch und tritt in diesen Gedenkraum: Man steht vor einer Leinwand und jede Minute wechselt auf der Leinwand das Bild. Es gibt darauf kein Foto von der Person, der das stille Gedenken gilt; oft auch keinen Namen. Die einzige Information, die es gibt, ist die über ihren Tod. Zum Beispiel so: „Am 21. 11. 2019 verschwunden von einem Boot, das im Mittelmeer zwischen Libyen und Italien in Seenot geraten war.“ Mehr weiß man nicht. Darunter folgen dann mangels anderer Daten die geografischen Koordinaten, wo das passiert ist. Das ist alles, was von diesem Menschen übrig geblieben ist. Eine Minute lang Stille; dann folgt die nächste von insgesamt 30 411 solcher Todesanzeigen. Jede gehört zu einem Menschen, der auf der tödlichsten Fluchtroute der Welt, dem Mittelmeer, sein Leben verloren hat. Die jeweils einminütige Stille addiert sich auf 30 411 Schweigeminuten – insgesamt 21 Tage der Stille.

Vom Geist der Menschlichkeit

Europa nimmt den Tod in dem Meer, das die Römer „Mare Nostrum“ nannten, fatalistisch hin, weil man fürchtet, dass Hilfe noch mehr Flüchtlinge locken könnte. Hilfe gilt als Fluchtanreiz. Der Tod der Flüchtlinge ist daher Teil einer Abschreckungsstrategie. Deshalb werden private Flüchtlingsrettungsschiffe politisch sabotiert und ihre Betreiber juristisch kriminalisiert. So ergeht es zum Beispiel dem Verein Sea-Eye, 2015 in Regensburg gegründet; der Verein hat zuletzt 2024 den Rettungskreuzer Sea-Eye 5 erworben und im Oktober 2024 zu humanitären Einsätzen ins Mittelmeer geschickt. Seit 2021 hat der Verein nach eigenen Angaben mit seinen Schiffen mehr als 18 000 Menschen gerettet. Private Organisationen praktizieren den Geist der Brüderlichkeit und der Menschlichkeit, aus dem heraus am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte proklamiert worden ist. Dieser Geist ist aus der staatlichen Politik verschwunden. Was bleibt? Es bleibt die Kraft der Hoffnung.


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