Warum die Kirche den Widerstand gegen die AfD propagiert – und die katholischen Bischöfe es geschlossen und mit spektakulärer Klarheit tun.

Von Heribert Prantl

Die Erklärung aller katholischen Bischöfe zur AfD ist mehr als Erklärung. Sie ist eine eindringliche Mahnung, sie ist eine unmissverständliche Warnung, sie ist spektakulär, sie ist von beeindruckender Eindringlichkeit: „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“, lautet die Überschrift. Die katholischen Bischöfe haben es bei der Überschrift nicht belassen. Sie buchstabieren durch, was sie bedeutet: „Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein. Die Verbreitung rechtsextremer Parolen – dazu gehören insbesondere Rassismus und Antisemitismus – ist überdies mit einem haupt- und ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar.“

Das ist für den kirchlichen Bereich das Verbot, das man sich auch für den politischen Bereich wünscht. Das ist eine christliche Botschaft, die auch die demokratische Botschaft sein muss. Die katholischen Bischöfe formulieren es so: „Die Menschenwürde ist der Glutkern des christlichen Menschenbildes und der Anker unserer Verfassungsordnung.“ Wenn man das Wort „christlich“ durch das Wort „demokratisch“ ersetzt, ist dieser Satz ein Fundamentalsatz für unser Gemeinwesen: Die Menschenwürde ist der Glutkern des demokratischen Menschenbildes und der Anker unserer Verfassungsordnung.

Eine Mission gegen die AfD

Eine Partei, die die unantastbare Würde aller Menschen infrage stellt, eine Partei, die sich die Menschen aussuchen will, denen sie die Würde zuspricht – eine solche Partei ist gefährlich. Die AfD will Menschen mit Migrationshintergrund, sie will Menschen mit Behinderung, sie will geflüchtete Menschen absondern, aussondern oder abschieben. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Diesen Fundamentalartikel 1 des Grundgesetzes will die AfD mit einem bösartig-gefährlichen Satz ergänzen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar – aber nur, wenn wir, die AfD, diesen Menschen für würdig erachten.“

Dagegen gehen seit Wochen Hunderttausende Menschen in Deutschland auf die Straßen, in den großen, in den kleinen Städten, auch auf dem Land. Es ist dies eine Volksbewegung, die das schon tut, was die Bischöfe in den letzten zwei Sätzen ihrer Erklärung verlangen: „Leisten wir alle Widerstand, wenn Menschenwürde und Menschenrechte in Gefahr geraten! Engagieren wir uns gemeinsam aktiv für die freiheitliche Demokratie!“

Dieser Widerstand muss Konsequenzen haben. Im kirchlichen Alltag sehen die Konsequenzen so aus: Kirchlicher Dienst und Seelsorge, christliche Wohlfahrt und Caritas sind mit einer Arbeit in oder für die AfD grundsätzlich unvereinbar. Wer Funktionsträger der AfD ist, kann Funktionen in der Katholischen Kirche nicht ausüben – ob als Pfarrer, Kaplan oder als Pastoralreferent, ob als Mitarbeiter im Pfarrbüro oder als Mitglied im Pfarrgemeinderat. Wer im Pflegedienst der Caritas arbeitet, kann das nicht tun, wenn er sich rassistische Parolen auf den Arm tätowiert hat. Und eine Erzieherin, die in ihrem kirchlichen Kindergarten für Integration arbeiten soll, ist untragbar, wenn sie eine fremdenfeindliche Politik unterstützt.

Die Mitgliedschaft in einer rassistischen Partei ist keine persönliche Angelegenheit. Sie widerspricht der Botschaft der christlichen Religion, sie rührt an das Selbstverständnis von Kirche, sie widerspricht der christlichen Botschaft. Die Funktionsträger und Mandatsträger einer solchen Partei können deshalb nicht auf Podien von Kirchentagen eingeladen werden. Es wäre ein grausamer Witz, wenn ein Björn Höcke auf einem Podium des Kirchentags in Erfurt im Mai seine Gemeinheiten ausbreiten kann.

Eine Erklärung für die Würde aller Menschen

Das sind die Grundlinien. Diese Ethik wird sich im katholischen Alltag, auch im Arbeitsalltag, bewähren müssen. Es wird zwar keinen Automatismus dergestalt geben, dass ein AfD-Mitglied oder ein AfD-Sympathisant im Kirchen- oder im kirchlichen Wohlfahrtsdienst per se entlassen wird. Aber jeder wird sich einer kritischen Prüfung entlang der Leitlinien stellen müssen. Das ergibt sich auch schon aus der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ vom 22. Dezember 2022. Da heißt es in Artikel 4 g: „Der Dienstgeber sorgt dafür, dass Positionen, die dem christlichen Menschenbild widersprechen, keinen Platz in kirchlichen Einrichtungen haben.“ Das bedeutet keinen Ausschluss von den Sakramenten, das bedeutet keinen Ausschluss aus der Kirche. Aber das verhindert, dass im Namen der Kirche Menschenfeindlichkeit propagiert wird.

Die Erklärung gegen die AfD ist nicht eine Fortsetzung der Wahl-Hirtenbriefe unseligen Angedenkens, die einst, bis in die Achtzigerjahre hinein, ex cathedra für die Wahl der C-Parteien geworben haben. Diese Erklärung ist etwas völlig anderes: Es ist eine Erklärung für die Würde aller Menschen. Sie schwiemelt nicht herum, sie ist von prophetischer Klarheit. Sie will die Fehler nicht wiederholen, die sie 1932/33 im Umgang mit den Nazis gemacht hat.

Diese unbedingte Haltung ist vorbildlich – und sie ist im Wortsinn ehr-würdig, also aller Ehren würdig und wert. In den neuen Bundesländern tut sich die Katholische Kirche da leichter als die Evangelische; die Katholiken sind da in der Minderheit. Es kommt bei ihnen nicht zu so vielen AfD-Verwerfungen wie bei den Protestanten. Die Evangelische Kirche im Osten ist durchtränkt von der AfD: Man müsse davon „davon ausgehen, dass in den ländlichen Bereichen der Kirchen in Mitteldeutschland vielerorts 30-50 Prozent der Gemeindeglieder AfD wählen oder AfD-affin sind“, so analysiert es der Erfurter Theologieprofessor Michael Haspel. Umso wichtiger, so sagt er, sei es, dass die diakonischen Einrichtungen der Kirche „zu Agenturen der Menschenrechts- und Demokratiebildung werden“.


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