Andreas Fisahn ist Professor für Öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht an der Universität Bielefeld; Rechtstheorie lehrt er auch. Er hat ein sehr umfangreiches Buch geschrieben über die Entwicklung von Rechtsstaat und Demokratie in der Bundesrepublik, das soeben im Papyrossa-Verlag erschienen ist. Substanzverlust sieht er bei der Demokratie, beim Rechtsstaat sieht er eine Liberalisierung. Das Buch ist spannend, gelehrt, bisweilen auch munter respektlos; es ist sehr dick, aber ein Schinken der Hoffnung ist es nicht.
Sein Blick in die Zukunft ist nicht erquicklich. Fisahn befürchtet, dass „durch die Überausbeutung der Natur der Menschheit die Grundlagen demokratischer, d.h. kollektiver Freiheit genommen“ werden. „Demokratische Lebensgestaltung“, so schreibt er, „wird unter den selbst geschaffenen Bedingungen der menschlichen Existenz auf diesem Planeten fast unmöglich sein“. Und: „Wenn sich in zwanzig Jahren herausstellen sollte, dass die Reduktions- und Umbauziele, die gegenwärtig gesetzt werden, nicht erreicht worden sind, wächst das Risiko, Probleme im Notstandsmodus zu bearbeiten. Ob in einer solchen Situation Demokratie und Rechtsstaat im Inneren aufrecht zu erhalten sind, erscheint außerordentlich fraglich.“
Das klingt düster. Aber Andreas Fisahn wirft sich dieser Düsternis nicht in die Arme. Er beschreibt, wie schlimm es kommen kann, um zu verhindern, dass es tatsächlich so kommt. Er schreibt sehr pessimistisch – aber immerhin ein sehr dickes, engagiertes Buch: Dazu braucht man faktischen Optimismus, sonst lässt man es von vornherein. Letztlich will Fisahn mit seinen Szenarien und seinen Befürchtungen einen Raum für die Demokratie erkämpfen. Er stellt die richtigen Dilemmata dar. Es ist mutig, sie so unerbittlich ungnädig aufzuzeichnen. Das Buch ist eine Denk- und Fundgrube.
Ich habe zu dem Buch ein Geleitwort geschrieben, in dem ich Fisahn einen optimistischen Pessimisten nenne und mich selbst einen pessimistischen Optimisten. „Vielleicht“, so habe ich da geschrieben, „ist das der Unterschied zwischen dem Wissenschaftler und dem Journalisten. Ich frage mich weniger, welche Zukunft man hat oder erduldet. Ich frage mich, welche Zukunft wir haben wollen und wie wir darauf hinleben und hinarbeiten. Dafür bin ich Journalist. Und wenn ich nicht Hoffnung hätte, könnte ich nicht mehr schreiben.“
Andreas Fisahn: Repressive Toleranz und marktkonforme Demokratie. Zur Entwicklung von Rechtsstaat und Demokratie in der Bundesrepublik. Das Buch ist bei Papyrossa erschienen, es hat 709 Seiten und kostet 39 Euro.