Das ist die Frage, die sich bei der Diskussion um den Kanzler und den Berliner Kultursenator Chialo stellt, den Scholz als „Hofnarr“ beleidigt hat. Bei der Beantwortung hilft ein Gedenktag. Gewiss: Es gibt fast jeden Tag irgendeinen Gedenktag; es gibt ernsthafte Gedenktage wie den „Datenschutztag“; es gibt schmackhafte Gedenktage wie den „Tag der italienischen Küche“ und es gibt alberne Gedenktage wie den „Weltknuddeltag“.
Man könnte also den Tag, der jährlich am 21. März begangen wird und für den die Vorbereitungen jetzt auf Hochtouren laufen, mit einem abgeklärten „Aha“ registrieren und vorbeigehen lassen. Es ist der „Internationale Tag gegen Rassismus“, ausgerufen 1966 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen und später mit der Bitte an die Mitgliedsstaaten ergänzt, alljährlich eine solidarische Aktionswoche zu organisieren. Der Gedenktag erinnert an das Massaker von Sharpeville nahe Johannesburg in Südafrika, als 20 000 Menschen gegen das diskriminierende Passgesetz des damaligen Apartheid-Regimes protestierten und die Polizei in die Menge schoss: 69 Menschen starben.
Lang her, weit weg – so sah man das in Deutschland lange Zeit; bis Jürgen Micksch, ein evangelischer Theologe und Soziologe, vor 30 Jahren die Initiative ergriff und aufzeigte, was hinter dem damals nach Anschlägen und Gewalttaten gebräuchlichen Reden von Fremden- und von Ausländerfeindlichkeit steckt: Rassismus. Er prägt das politische Geschehen in ganz Europa immer stärker und immer gefährlicher. Seit 1995 gibt es in Deutschland, jedes Jahr im März, von Micksch und seinen Verbänden gelenkt und geleitet, die „Tage gegen Rassismus“. Im vergangenen Jahr zählten dazu über 5000 Veranstaltungen mit mehr als 300 000 Teilnehmern. Es ist dies ein Beispiel dafür, was ein Einzelner vermag.
In diesem Jahr begannen die Tage gegen Rassismus sehr früh und sehr wahlkampfgesteuert: Als der Bundeskanzler auf einer Unternehmerparty den Berliner Kultursenator Joe Chialo als „Hofnarr“ der CDU beleidigte, begann eine erregte Debatte darüber, ob Scholz ein Rassist sei. Warum? Chialo ist gebürtiger Deutscher mit tansanischen Wurzeln und dunkler Hautfarbe. Scholz‘ Äußerung war dumm und beleidigend. Ihn deswegen als „Rassist“ zu bezeichnen, wäre aber eine Verharmlosung des Rassismus. Vielleicht können die bevorstehenden Tage gegen Rassismus helfen, die Maßstäbe zurechtzurücken.
Die „Stiftung gegen Rassismus“ hat zum 30. Jahrestag unter dem Motto „100% Menschenwürde“ eine Broschüre herausgegeben, die vom Wesen und Werden der Tage gegen Rassismus in Deutschland handelt. Sie ist zu beziehen von der Homepage der Stiftung gegen Rassismus in Darmstadt und kann dort auch in gedruckter Form bestellt werden.