Das Elend ist namenlos. Seit 2014 sind im Mittelmeer über 25 000 Menschen ums Leben gekommen bei dem Versuch, Europa auf der zentralen Mittelmeerroute zu erreichen; so schätzt die Internationale Organisation für Migration. Es gibt eine Aktion, die „Beim Namen nennen“ heißt. Diese Aktion macht sich die Mühe, die Namen der ertrunkenen Flüchtlinge zu recherchieren und/oder die wenigen Spuren ihres Schicksals ehrend festzuhalten. In einem Buch ist die Liste dieser belegten Fälle veröffentlicht. Die Europäische Union (und noch massiver und radikaler CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz) machen sich solche Mühe nicht. Sie mühen sich stattdessen, auch das Recht sterben zu lassen, auf das sich die Ertrunkenen hatten berufen wollen.

Es gibt in der EU starke Tendenzen zu einer Trumpisierung, Salvinisierung und Orbánisierung der Asylpolitik. Die EU-Anstrengungen haben das Ziel, dem Asylrecht die Rechtsqualität und dem Flüchtling den Schutz in Europa zu nehmen. Fast alles, was in Brüssel unter der Überschrift „Reform“ der Flüchtlingspolitik betrieben wird, dient nicht der Verbesserung, sondern der Verschlechterung des gegenwärtigen Zustands, der schlimm genug ist. Er zwingt die Menschen, die Schutz suchen, dazu, ihr Leben zu riskieren. Dieses Buch setzt ihnen ein Denkmal.

Kristina Milz und Anja Tuckermann (Hrsg.), Todesursache: Flucht. Eine unvollständige Liste. Verlag Hirnkost Berlin, 3. Auflage 2023, 858 Seiten.