Den Rechtsprofessor Uwe Wesel habe ich vor bald neun Jahren, in meiner Laudatio zu seinem achtzigsten Geburtstag, als den „Indiana Jones des Rechts“ bezeichnet – weil seine Bücher, und das ist eine Seltenheit bei Juristen, ähnlich spannend und manche fast so erfolgreich sind wie die Filme mit Harrison Ford. Die Eloquenz hat er wohl von den alten römischen Juristen gelernt. Er hat römisches Recht studiert, war Assistent beim großen Rechtsgelehrten Wolfgang Kunkel, wurde 1968 (!) ordentlicher Professor an der FU Berlin und dort ein Jahr später zum Vizepräsidenten gewählt. Da war er 36, die Zeiten waren wild und Wesel war keiner, der sich vor den studentischen Protesten versteckte. Er verhandelte auch mit den Leuten vom Kommunistischen Studentenverband und verstand es, die Gewalt aus den Protesten zu nehmen.

Nun, kurz vor seinem neunundachtzigsten Geburtstag, hat Wesel eine äußert vergnüglich zu lesende Autobiografie vorgelegt, er nennt sie „Bildungsbericht“, und er gab ihr einen Satz als Titel, den einst, kurz vor dem Abitur in Hamburg, einer seiner Mitschüler an die Tafel der Oberschule St. Georg gemalt hatte: „Wozu Latein, wenn man gesund ist?“ Wesel schreibt von seiner Hamburger Kindheit in einer kleinen Nazifamilie, er schreibt von seinem Studium bei Bruno Snell, dem Hamburger Professor für klassische Philosophie; beim Soziologen Helmut Schelsky und bei dem schon erwähnten Wolfgang Kunkel. Er schreibt von seinen Fahrradtouren im Nachkriegs-Europa, von seiner Frühstücksgemeinschaft mit Otto Schily, dem späteren Strafverteidiger und Bundesinnenminister, und Meinhard von Gerkan, aus dem einer der einflussreichsten deutschen Architekten wurde. Wesel schreibt von seinen Studienjahren in Schwabing und den Krawallen dort, von der Studentenrevolte, von den Berufsverboten – und schließlich von der Wiedervereinigung und den Strafprozessen gegen Honecker und Co.

Das alles sprüht vor farbigen Erinnerungen und schönen Anekdoten. Dazu gehört der Bericht über einen Vortrag, den Immanuel Birnbaum, damals der grand old man der Süddeutschen Zeitung, beim Liberalen Studentenbund LSD hielt: „Er fragte uns, ob wir den Unterschied kennen zwischen einem Journalisten und einem Professor. Wussten wir nicht. Er: Im Idealfall weiß der Professor alles über Nichts und der Journalist Nichts über alles.“

Uwe Wesel: Wozu Latein, wenn man gesund ist? Ein Bildungsbericht. Das Buch erscheint in diesen Tagen bei C.H.Beck, es hat 149 Seiten und kostet 24,95 Euro.

 

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