Über die Morde des NSU, des Nationalsozialistischen Untergrunds, habe ich viel gelesen; ich habe auch selbst darüber geschrieben. Kein Text, kein Bericht, keine Reportage, kein Feature, kein Kommentar oder Leitartikel hatten die Wahnsinns-Intensität dieses Buches, das ich Ihnen sehr ans Herz legen möchte. Es ist ein bewegendes, ein packendes, ein beschämendes und ein ergreifendes Buch. Es ist ein Buch über ein elendes, trauriges und düsteres Kapitel deutscher Gegenwartsgeschichte, das nie richtig aufgeklärt wurde, obwohl ein langer Strafprozess geführt wurde und obwohl es so viele Untersuchungsausschüsse gab wie nie in der bundesdeutschen Geschichte.
Die Töchter zweier Mordopfer erzählen nun ihre Geschichte über Demütigungen durch Polizei und Medien, das Versagen der Behörden und ihren Wunsch, die Erinnerungen an ihre Väter lebendig zu halten. Semiya Şimşek war ein 14-jähriges Mädchen, Gamze Kubaşık war 20, als ihre Väter von den Neonazis ermordet wurden. Die freie Journalistin Christine Werner hat den beiden Frauen bei der Niederschrift des Buches geholfen. Es ist ein fesselndes Buch geworden, ein Buch, das aufklärt und betroffen macht. Ein Kollege hat mich auf das Buch mit der Bemerkung hingewiesen, er wünsche sich, „dass dieser Tatsachenbericht Schullektüre wird“. Ich wünsche mir das auch – und ich wünsche mir, dass dieses Buch nicht nur ganz viele junge, sondern auch ganz viele ältere Leser erreicht. Es heißt: „Unser Schmerz ist unsere Kraft.“
Gamze Kubaşık, Semiya Şimşek. Mit Christine Werner: Unser Schmerz ist unsere Kraft. Neonazis haben unsere Väter ermordet. Das Buch ist bei Fischer-Sauerländer erschienen, es hat 191 Seiten und kostet 17,90 Euro.