Der Schriftsteller Ernst Toller war ein bekehrter Kriegsfreiwilliger des Ersten Weltkriegs, der dann Revolutionär und Pazifist wurde („Der Krieg ließ mich zum Kriegsgegner werden“); er war eine der Leitfiguren der Münchner Räterepublik, wurde nach deren Scheitern wegen Hochverrats angeklagt und zu einer fünfjährigen Festungshaft verurteilt. Während der Zeit im Kerker Niederschönenfeld hatten seine Stücke auf den Theaterbühnen der Weimarer Republik sensationellen Erfolg. Viele der Aufführungen wurden gestört und gesprengt von den Nazis. Als Joseph Goebbels 1933 mit einer Hassrede in Berlin den „Juden-Boykott“ eröffnete, nannte er Ernst Toller einen vordersten Exponenten des deutschen Judentums und damit einen Hauptfeind des Nationalsozialismus: „Aus den Gräbern von Flandern und Polen“, so Goebbels, „stehen zwei Millionen deutsche Soldaten auf und klagen an, dass der Jude Toller schreiben durfte, das Heldenideal sei das dümmste aller Ideale“. Bei der NS-Bücherverbrennung waren Tollers Bücher dabei; stellvertretend für ihren in die Schweiz entkommenen Autor wurden die Bücher an aufgerichteten Pfählen gekreuzigt.
Meine SZ-Kolumne vom Freitag („Pax und Moritz“) habe ich mit einem späteren Theaterstück Tollers begonnen. Es heißt „Nie wieder Frieden“ und handelt davon, wie man ihn vielleicht doch erreicht; es wurde 1936 in London uraufgeführt. Dieses Theaterstück war für mich Anlass, mich mit dem Gesamtwerk von Toller zu befassen, der in der Zeit der Weimarer Republik bekannter war als Bert Brecht. Es lohnt sich! Der Soziologe Max Weber hat seinerzeit im Hochverratsprozess seinem ehemaligen Studenten „absolute Lauterkeit“ bescheinigt. Es gilt, ein literarisches Gesamtwerk und einen klugen Kopf wieder zu entdecken. Man tut das am besten mit der vom Hanser-Verlag herausgegebenen Taschenbuch-Gesamtausgabe.
Wolfgang Frühwald, John M. Spalek (Herausgeber): Ernst Toller. Gesammelte Werke. Die fünf Bände sind 1995 erschienen. Mit Glück entdeckt man sie noch im Buchhandel oder erhält sie antiquarisch – zum Preis von ab 60 Euro.