Wenn man kleine Enkel hat, geht man mit anderen Augen durch einen Buchladen als vor der Großvaterzeit. Was mag man vorlesen? Ich habe schon als Bub und später als Vater die Texte geliebt, die sich reimen – und heute, als Opa, tue ich das erst recht. Deswegen bin ich bei diesem Buch über eine Puppe namens „Lollo“ von Mira Lobe hängen geblieben. Lobe ist eine pfiffige jüdische Autorin, die vor dreißig Jahren gestorben ist. Ihre Lollo ist eine weggeworfene Puppe, die auf dem Müllhaufen liegt und dort beginnt, kaputtes Spielzeug zu reparieren. Susi Weigel hat die 80 Seiten fantasievoll illustriert. Ich habe mich mit dem Buch in eine Ecke vom Buchladen verzogen, es mit großem Vergnügen gelesen und die Reime schon im Geiste rezitiert.
Mir aber dann überlegt, ob ich „Lollo“ wirklich kaufen darf. Warum? Lollo ist, so heißt es gleich am Anfang, „ein nacktes Puppenkind, schwarz, wie Negerpuppen sind“. Rassismusverdacht? Produziert das Buch alte Stereotype? Gar nicht. Vorsichtshalber hat der Verlag ein kleines Vorwort an den Anfang gesetzt: „Als dieses Buch geschrieben wurde, hießen solche Puppen ‚Negerpuppen‘. Heute ist die Bezeichnung ‚Neger‘ abwertend. Deshalb wollen Menschen mit dunkler Hautfarbe so nicht mehr genannt werden.“ So eine Erklärung kann der Aufhänger sein für ein gutes Großvater-Enkel-Gespräch über die Unterschiedlichkeit der Menschen. Ich habe das Buch gekauft – und ich freue mich aufs Vorlesen. Es ist ein Reim-Lernbuch.
Mira Lobe, Susi Weigel: Lollo. Das Buch ist im Jungbrunnen-Verlag in Wien erschienen, hat achtzig Seiten und ist auch als Hörbuch zu haben. Es kostet 18 Euro.