Seine Mutter war eine Zigarettenverkäuferin in München, sein Vater ein ambulanter Buchhändler. Er kam im Eisenbahnzug zur Welt – kurz vor Dresden. Seine ersten Kindheitsjahre verbrachte er in München; sein späteres Schicksal war die Landstraße. Er war ein Vagant, ein bayerisches Villon, ein Chansonnier, ein Schandmaul, der seinen katholischen Glauben pries und verfluchte. Die Behörden registrierten nur sein Fluchen und verfolgten ihn quer durch Deutschland wegen Gotteslästerung und Beleidigung. In München hatte er sich 1919 den Führern der Räterepublik angeschlossen; verhaftet und eingesperrt wurde er deswegen, in Stadelheim und der Festung Ingolstadt. Er hieß Jakob Haringer.

Er war 27, als er mit dem Gerhard Hauptmann-Preis ausgezeichnet wurde. Döblin schätzte ihn über alles. Die Nazis nannten ihn einen „üblen Vertreter des jüdischen Kulturbolschewismus“. Er floh erst nach Prag, dann nach Frankreich, dann in die Schweiz. Er starb mit 50 Jahren in der Emigration. Kaum einer kennt ihn noch. Jakob Haringer war immer reich an Liebschaften, aber arm an Geld. Und glücklich war er nicht. In der Schlusszeile seines Gedichts „Stündlich warten wir auf unser Todesurteil“ findet sich sein radikales Hadern mit Gott: „Gott ist ein leerer Teller für die Hungernden.“ Einer seiner wunderbaren Gedichtbände heißt „Das Schnarchen Gottes“. Er schimpft sich darin in den Himmel. Nicht nur von Alfred Döblin, auch von Hermann Hesse wurde Jakob Haringer hoch geschätzt. Arnold Schönberg hat Haringers Gedichte vertont.

In den folgenden Zeilen kristallisiert sich die Existenz Jakob Haringers: „Ist alles eins / Was liegt daran, / Der hat sein Glück, / Der seinen Wahn. / Was liegt daran! / Ist alles eins, / Der fand sein Glück! / Und ich fand keins.“

18 Bücher sind von ihm erschienen, viele im Selbstverlag, fast alle vergessen. In seiner Dachkammer in Köniz bei Bern fanden sich nach seinem Tod Berge von Zetteln. Auf einem stand der Satz „Ich muß doch warten auf das Kamel, das mich durchs Nadelöhr führt“.

In vier Wochen, am 16. März, ist der 125. Geburtstag von Jakob Haringer. Ich empfehle Ihnen sein Werk schon heute – dann haben Sie Zeit, sich eines seiner Bücher antiquarisch zu besorgen. Es lohnt sich. Zum Beispiel diese:

Jakob Haringer: Aber des Herzens verbrannte Mühle tröstet ein Vers. Ausgewählte Lyrik, Prosa und Briefe, 206 Seiten. Erschienen 1988 im Residenz Verlag,
Oder:
Lieder eines Lumpen. Aus dem Gebetbuch des armen Jakob Haringer. Erschienen 1962 im Werner Classen Verlag.

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