Der Igel steht in vielen Fabeln für Umsicht, Klugheit und Weisheit. Im Märchen vom Wettlauf des Hasen mit dem Igel gewinnt der Igel mit einem Trick: Er stellt seine Frau, die genauso aussieht wie er, beim Ziel auf; und immer wenn der Hase kommt ruft sie: „Ich bin schon hier.“ Am Ende stirbt der rasende Hase an Erschöpfung, er hatte auf mehreren Wiederholungen des Rennens bestanden. So ist es im Märchen. In der Realität und im literarischen Schaffen des Peter Kurzeck ist der sympathische Igel ein Fortschrittsverlierer. Aber immerhin schafft er es in den Titel des Buches der Philosophin Angelika Krebs: Ihr Buch „Das Weltbild der Igel“  ist ein unkonventionelles Buch.

Angelika Krebs nimmt ausgewählte Passagen aus dem autobiographisch-erzählerischen Werk von Peter Kurzeck, um daraus ihre Naturethik zu entwickeln. Sie will, sagt sie, auf diese Weise nicht nur den Verstand ansprechen, sondern Emotionen wecken. Die Liebe zur Schönheit der Natur sei ein ganz anderer Zugang zur Bewahrung der Schöpfung als das Schüren der Angst vor den Folgen des Klimawandels: „Wir sollten mehr auf die Liebe setzen.“ Mit dieser Haltung schreibt sie an gegen die Verpestung und Vergiftung der Natur, gegen den Naturverbrauch, der immer schlimmer geworden sei seit den achtziger Jahren: „Es wird verstraßt, zersiedelt, verkabelt, ausgeräumt und ausgerottet, was das Zeug hält“; so klagte sie im Gespräch mit der Zeitung ihrer Universität Basel, an der sie den Lehrstuhl für praktische Philosophie innehat.

Das Igel-Buch hat Angelika Krebs in Zusammenarbeit mit Stephanie Schuster, Alexander Fischer und Jan Müller verfasst, die an ihrem Lehrstuhl arbeiten. Der Buchtitel bedient sich aus Peter Kurzecks Roman „Vorabend“, in dem er die Erdgeschichte aus der Perspektive der Igel erzählt, beginnend mit dem Igel-Paradies. Von diesem Paradies ist die Passage über das Los von fünf Igeln auf dem Weg zum Winterschlaf weit entfernt: Die Igel versuchen vergeblich, eine stark befahrene Straße zu überqueren.

Es geht der Philosophin Krebs um die Erkenntniskraft von Gefühlen, es geht ihr um Mitleid und Moral, es geht ihr darum, an die Stelle eines anthropozentrischen Blicks auf die Welt einen pathozentrischen Blick („pathos“ = Leiden) zu setzen. Um zu verstehen, warum das notwendig ist, müsse man sich nur in Massentierhaltungsbetrieben und Tierversuchseinrichtungen umsehen. Keine Angst: Angelika Krebs hat nichts am Hut mit der radikalen Öko-Bewegung. Ihr Buch, vor einem knappen Jahr erschienen, ist ein originelles Sinnieren darüber, was getan werden kann und muss, „damit die Welt noch weitergeht“. Und es ist ein Aperitif, um sich dann am sowohl weitschweifendem als auch präzisen Werk von Peter Kurzeck gütlich zu tun.

Angelika Krebs: Das Weltbild der Igel. Naturethik einmal anders. Das Buch ist 2021 im Schwabe-Verlag Basel erschienen. Es hat 240 Seiten und kostet 28 Euro.

Spread the word. Share this post!