Erich Mühsam, der Mann mit dem wilden Bart und dem Wuschelhaar, war ein unbändiger Rebell und ein unendlich generöser und gütiger Mensch. Er gehörte zum Führungszirkel der Revolutionäre der Münchner Räterepublik. Der Apothekersohn aus Lübeck war ein Anarchist, er war ein genialer Dichter, er war ein sensibler Poet, er war ein Visionär, der zusammen mit seiner Frau „Glück und Frieden aufrichten“ wollte. Er war einer, der mit dem kleinen und großen Pathos wunderbar jonglieren konnte.

Erich Mühsam war unmäßig in vielen Genüssen, er liebte die erotischen Abenteuer. Aber noch mehr liebte er seine Frau Kreszentia, genannt Zenzl, geborene Elfinger, eine Bauers- und Landwirtstochter aus Haslach bei Au in der Hallertau. Sie war eine unglaublich starke und mutige Frau, über die man aber bislang nicht besonders viel wusste. Die Biografien beschäftigen sich vor allem mit ihm, kaum mit ihr. Das hat sich mit diesem Buch geändert, das ich Ihnen sehr ans Herz legen möchte: Es ist dies eine wunderbar erzählerische Biografie des mutigen Ehepaars Erich und Zenzl Mühsam, das deutsche Geschichte bitter erlitten hat. Vor hundert Jahren malte und schrieb Erich seiner Zenzl aus der Festungshaft, um deren Beendigung sie sich kämpferisch bemühte, ein unendlich liebevolles Bilderbuch. Vor neunzig Jahren wurde er von SS-Männern im KZ Oranienburg bestialisch ermordet. Zenzl ließ sich dann, auf der Flucht vor den Nazis, nach Russland einladen – um dort von den terroristischen Säuberungswellen Stalins erfasst und zwanzig Jahre lang drangsaliert zu werden.

Wer Erich Mühsam auch nur ein wenig kennt, der kennt sein Gedicht über den „Revoluzzer, im Zivilstand Lampenputzer“, aus dem Jahr 1907, das er im Untertitel kritisch „Der deutschen Sozialdemokratie“ gewidmet hat. Das erste Gedicht, das ich von ihm kannte, und das ich bis heute gern mag, ist freilich ganz und gar unpolitisch, aber von anrührend fröhlicher Melancholie: „Es stand ein Mann am Siegestor / der an ein Weib sein Herz verlor. / Schaut sich nach ihr die Augen aus, / in Händen einen Blumenstrauß. Zwar ist das nichts Besunderes. / Ich aber – ich bewunder es.“ Meinen Blumenstrauß überreiche ich hier Rita Steininger, der Autorin dieser Ehepaar-Mühsam-Biografie. Dem Buch stellt die Autorin als Motto und Titel ein Zitat aus einem Gedicht von Erich Mühsam voraus: „Warum ich Welt und Menschheit nicht verfluche? – Weil ich den Menschen spüre, den ich suche!“

Rita Steininger: Zenzl und Erich Mühsam. Das Buch hat 264 Seiten und 43 Abbildungen. Es ist 2024 als Band 53 in der verdienstvollen Reihe „Geschichte & Frieden“ des engagierten Verlegers Helmut Donat im Donat-Verlag Bremen erschienen und kostet 19,80 Euro.