Arno Luik war Chefredakteur der taz, er war Vizechef der Münchner Abendzeitung, er war Reporter bei Geo und langjähriger Autor des Stern – und er war und ist ein ganz großartiger Interviewer. In dem Buch, das ich hier sehr empfehle, interviewt er sich selbst; er hört in sich hinein, er schreit aus sich heraus. Dieses Selbstgespräch, dieses Tagebuch ist vielleicht das aufregendste der vielen Interviews, die er geführt hat. Luik geht in sich und über sich hinaus, er schreibt über „das garstige Vieh“ in ihm, er schreibt über die Chemotherapie und was sie mit ihm, mit seinem Körper und mit seinem Geist macht. Im Spätsommer 2022 hat Luik die Diagnose „Darmkrebs“ bekommen und in seinem Buch schreibt er darüber, wie es ihm mit dem Gefühl und dem Wissen ergeht, nicht mehr der Herr im eigenen Haus, im eigenen Körper, zu sein. „Rauhnächte“ hat er sein Buch genannt; so heißen die Nächte zwischen den Jahren, in denen der Sage nach die wilde Jagd tobt.

Die Rauhtage und Rauhnächte des Arno Luik sind die Tage und Nächte, in denen er um sein Leben schreibt. Er tut das unerbittlich, aber nie peinlich, er tut das ohne Rücksicht auf seine Schwächen, aber auch ohne Rücksicht auf seine Branche, die auch die meine ist – er tut das also ohne Rücksicht auf den Journalismus von heute, den er für überwiegend angepasst und für feige hält. Es ist, als habe ihm die Krankheit die Kraft zur Fundamentalkritik gegeben. Luik ist ein Querdenker im guten, alten Sinn. Wäre er nicht so krank, dann würde ich sagen: Er ist ein demokratischer Kampfschwimmer. Luik ist einer, der gegen den Strom schwimmt – ob es um die Finanzkrise oder den Ukrainekrieg geht. Wenn er zu letzterem, beispielsweise zur Zerstörung der Pipeline Nord Stream II schreibt, wenn er dazu seine kritischen Fragen stellt, zitiert er Henry Kissinger: „Ein Feind Amerikas zu sein, kann gefährlich sein, aber sein Freund zu sein, ist tödlich.“ Und dann rechnet er mit den Grünen ab: Sie sei eine Partei, die alle Grundsätze, die mal zu ihrer Gründung führten, nachhaltig entsorgt habe. „Nur eines hat sie behalten: ihr pietistisches Moralisieren.“ Luik nennt das eine „nüchterne Analyse“. Nüchtern ist sie gar nicht. Sie ist eine tief enttäuschte Liebe.

Arno Luik: Rauhnächte. Das Buch ist Anfang April im Westend-Verlag erschienen. Es hat 192 Seiten und kostet 22 Euro.

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