Günther Verheugen war Vizepräsident der EU-Kommission und er hat als EU-Kommissar die Osterweiterung der Europäischen Union dirigiert. Sein Wort hatte Gewicht, sein Buch, das er zusammen mit Petra Erler geschrieben hat, ist gewichtig; es ist akribisch und furios. Es zeigt die Fehler der amerikanischen und der europäischen Anti-Russland-Politik in furchterregender Klarheit. Das Buch entlarvt russische, amerikanische und europäische Kriegslügen. Es beklagt, wie bereitwillig sich auch Deutschland in den Ukraine-Krieg hineingeworfen hat. Das Buch ist ein Vademecum für jeden, der den Weg zu zuverlässiger Sicherheit sucht. Und es ist zugleich ein Lehrbuch der Staatskunst, weil es die Fehler auflistet, die nicht gemacht werden dürfen, wenn man den Frieden will: Verheugen zählt die einzelnen Stationen des Wegs in die Konfrontation auf – und zeigt, „dass die Verantwortung dafür nicht so eindeutig auf einer Seite liegt“.

Schon vor einem Jahr hatte der SPD-Politiker Verheugen in einem Beitrag für die „Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik“ den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier heftig gerügt, der in Bezug auf die deutsche Russlandpolitik gesagt hatte: „Wir haben uns geirrt.“ Man sollte, so Verheugen, ihn bei der Darstellung der Russland-Politik der letzten dreißig Jahre als bloßen Irrtum „nicht einfach so davonkommen lassen, weil diese Darstellung bestenfalls Selbstbetrug ist“. Man könne Weltpolitik nicht auf das Persönlichkeitsbild eines einzigen Mannes, also Putin, reduzieren. Ob es zu einem Waffenstillstand und in der Folge zu einem Friedensschluss kommt, wird sich, da gibt es für Verheugen kein Vertun, in Washington entscheiden und nirgends sonst. Aber er appelliert auch an die Deutschen, die „nach dem Zweiten Weltkrieg große Versöhnungsbereitschaft erfahren“ haben: „Wir sollten die Ersten sein, die den anderen die Hand zur Versöhnung reichen“.

Günther Verheugen / Petra Erler: Der lange Weg zum Krieg. Russland, die Ukraine und der Westen – Eskalation statt Entspannung. Das Buch ist im Mai im Heyne-Verlag erschienen, hat 336 Seiten und kostet 24 Euro.