Das Sprichwort lautet so: „Wenn Du denkst es geht nicht mehr, dann kommt irgendwo ein Lichtlein her“. Das Sprichwort ist freilich gnädiger als die Realität. Nach den Wahlen in Thüringen und in Sachsen und vor den Wahlen in Brandenburg hält man nämlich vergeblich nach diesem Lichtlein Ausschau. Es brennt keines, es leuchtet nichts. Aber es gibt dieses Licht und es gibt auch ein Lichtlein, sie sind nur noch entzündet. Man findet Licht und Lichtlein im Grundgesetz: Da ist der Artikel 21 Absatz 2, in dem das Parteiverbot geregelt ist. Und da ist der Artikel 18, in dem es um die Grundrechtsverwirkung geht. Diese beiden Artikel sind so etwas wie der Personenschutz der Menschenwürde.
Es ist wichtig, diesen Personenschutz zu aktivieren. Dafür wirbt der Philosoph und Aktionskünstler Philipp Ruch, Gründer des Zentrums für politische Schönheit, in einem zornigen Buch mit dem alarmierenden Titel: „Es ist 5 vor 1933“. Ruch wirbt für eine demokratische Mobilmachung, er zieht dabei alle Register. Er beschreibt dabei auch den GAU: Eine Machtübernahme durch die AfD, von ihm datiert auf das Jahr 2029 – mit allem Schrecken, mit allem Horror. Das ist drohend und dröhnend, quälend und gellend. Aber Ruch schreibt ja auch nicht den Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht für die Anträge nach Artikel 18 und Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz, er schreibt die politische Aufforderung, solche Anträge zu stellen. Warum? Weil das Grundgesetz eine klare Botschaft hat: „Nie wieder“. Das ist der Inhalt und der Gehalt der bundesdeutschen Demokratie. Und Neonazis wie Björn Höcke sind die Symbolfiguren für den Anschluss der AfD an das alte braune Denken.
Nach den Erfolgen der AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen wird der Mut in der Bundesregierung, im Bundestag oder im Bundesrat, solche Anträge zu stellen, nicht steigen. Aber: Ein rechtsstaatliches Signal ist bitter notwendig – fürs Erste ein Antrag nach Artikel 18 Grundgesetz, der dem gewählten Neonazi Höcke die weiteren politischen Aktivitäten verbietet. Natürlich verschwinden extremistische Einstellungen nicht mit einem solchen Verbot. Aber damit bricht man diesen Einstellungen die Spitze.
Philipp Ruch: Es ist 5 vor 1933. Was die AfD vorhat – und wie wir sie stoppen. Das Buch ist im Juli im Verlag Ludwig/Penquin/Random House erschienen, es hat 224 Seiten und kostet 16 Euro.