Meine Mutter pflegte zu sagen, dass das Glück ein Rindvieh sei und Seinesgleichen suche. Sie wollte uns damit sagen, dass es nicht ratsam sei, sich einfach auf Glück und Zufall zu verlassen. Es gibt seit Jahren eine Flut von Ratgeberliteratur, die behauptet, dass das Glück mitnichten ein Rindvieh, sondern eine Cashcow sei – man müsse nur lernen, den Zufall für sich einzuspannen. In Karrierefibeln und Karrierebibeln kann man nachlesen, wie man dem Glück auf die Sprünge hilft und warum ein Glückspilz Glück und ein Pechvogel Pech hat. Das ist nicht immer besonders seriös, da gibt es viel Geschwurbel und Gequargel. Und weil man dem Geschwurbel und Gequargel nicht gleich ansehen soll, dass es Geschwurbel und Gequargel ist, wickelt man es ein in einen wissenschaftlich klingenden Begriff: Serendipität. Das ist ein Wort, das im Englischen als „Serendipity“ gebräuchlich ist. Es ist einer der Hauptbegriffe einer Art Glückwissenschaft und es geht ihr darum, wie man aus dem Zufall etwas Gutes, Produktives, Erfolgreiches machen kann.

Wer sich dafür interessiert, sollte das Buch von Christian Busch lesen, das vor ein paar Wochen auf Deutsch erschienen ist. Es heißt „Erfolgsfaktor Zufall“. Busch lehrt unter anderem an der London School of Economics und er plädiert dafür, die Serendipität im Alltag nutzbar zu machen und Zufälle zu provozieren. Auf die Frage „Was machst Du denn beruflich?“ könne man ja häufiger mal antworten: „Ich bin Unternehmer, interessiere mich gerade für die Philosophie der Wissenschaft und spiele gern Klavier“. Daraus entstünden dann spannende Gespräche über das Klavierspielen, Wissenschaft oder Philosophie, die mit dem Geschäftlichen erst einmal gar nichts zu tun haben. Das Gespräch schaffe aber eine ganz neue Basis und Vertrautheit für das, was man eigentlich vorhatte.

Ich würde, wenn mir einer so kommt, den eher für einen aufgeblasenen Fatzke halten und das Gespräch mit ihm ganz und gar nicht suchen. Aber Busch hat da vielleicht in der Welt der Schools of Economics andere Erfahrungen gemacht. Sein Buch liest sich jedenfalls kurzweilig und erlaubt einen Blick in eine eher anekdotisch basierte Wirtschaftswissenschaft. Warum mir das Ganze trotzdem widerstrebt hat? Weil es mir nicht gefällt, wie alles um den eigenen Vorteil kreist. Nach der Ökonomisierung der Daseinsvorsorge und der Medizin erwartet uns jetzt offenbar die Ökonomisierung des Zufalls.

Christian Busch: Erfolgsfaktor Zufall. Wie wir Ungewissheit und unerwartete Ereignisse für uns nutzen können. Das Buch ist Ende Februar im Verlag Murmann erschienen, es hat 320 Seiten und kostet 29 Euro.

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