Hugo Grotius, der Vater des Völkerrechts, hat vor bald vierhundert Jahren die berühmten drei Bücher vom Krieg und vom Frieden geschrieben: „De Jure Belli Ac Pacis Libri Tres“. Sie haben den Westfälischen Frieden vorbereitet. Kann Literatur Frieden stiften? Diese Frage stellten sich soeben die „Westfälischen Friedensgespräche“ in Münster. Münster ist ein guter Ort für diese Frage: Der Friede von Münster und Osnabrück beendete vor 375 Jahren den Dreißigjährigen Krieg. Der Friedensschluss war unter anderem dem Geschick des venezianischen Diplomaten Alvise Contarini zu verdanken, der in seinem Wappen die bezeichnende Devise trug: „Non ad perniciem – nicht bis zum Untergang“. Man hält inne bei diesem Wort – und denkt an den Krieg in der Ukraine.

Der irakische Schriftsteller Najem Wali, der in Berlin im Exil lebt, hat die „Westfälischen Friedensgespräche“ initiiert, die soeben mit dem Dialog zweier spanischer Dichter begonnen haben: José Ovejero und Jordi Puntí; der eine lehnt jede Form von Nationalismus ab, der andere streitet für die Unabhängigkeit Kataloniens. Die beiden haben sich über Monate in einem Briefwechsel voller literarischer Kraft, sprachlicher Schönheit und beeindruckender Aufrichtigkeit mit dem Jahrhundertkonflikt zwischen Katalonien und Spanien auseinandergesetzt. Warum ausgerechnet Literaten Impulse geben können für die Entwicklung des Friedens? Ihre Antwort: Weil es, um einen Roman zu schreiben, zweier Fähigkeiten bedarf: Vorstellungskraft und Fantasie für das Undenkbare sowie ein Weltverständnis, das die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Wirklichkeit durchdringt. Man kann nur hoffen, dass sich ein Verlag findet, der Ovejeros und Puntís Texte für die deutsche Leserschaft veröffentlicht – Grund zur Zuversicht, dass es klappt, gibt es.

Vorbild für Najem Walis Idee ist ein Briefwechsel, den ich Ihnen heute zum Lesen empfehlen will: Es ist der Briefwechsel zwischen dem französischen Pazifisten und Literaturnobelpreisträger Romain Rolland (1866-1944) und dem österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig (1881-1942). Die beiden haben sich in feindseligen Zeiten getroffen, haben sich – verleumdet von ihren jeweiligen Landsleuten – geachtet und geschätzt. Wie viele Künstler und Intellektuelle war Zweig bei Kriegsbeginn 1914 erst einmal von nationalistischer Verirrung befallen. Der Briefwechsel mit Romain Rolland zeigt, wie Zweig sich aus dieser Verirrung herausfühlt und herausschreibt, wie er sich zum Pazifisten wandelt. Der Briefwechsel zeigt das Ringen zweier Europäer um den Frieden in einer Zeit des Hassens und kriegerischen Mordens.

Romain Rolland, Stefan Zweig: Von Welt zu Welt. Briefe einer Freundschaft 1914-1918. Das Buch ist im Jahr 2014 im Aufbau-Verlag erschienen, es hat 480 Seiten und kostet 24,95 Euro.

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