Es gab gewaltige Erwartungen, damals, vor zwölf Jahren, nach seiner Wahl zum Papst. Es gab die Erwartungen, dass Franziskus die drängenden innerkirchlichen Fragen mit einem Machtwort beantworten wird: der Zölibat, die Rolle der Frauen in der Kirche, die Sexualmoral. Wird es geweihte Frauen, wird es verheiratete Priester geben? Papst Franziskus hat das Machtwort nicht gesprochen. Vielleicht weil der Widerstand des Apparats, der Kurie zu groß war; vielleicht auch, weil Franziskus bei den innerkirchlichen Reformen die Klarheit nicht hatte, die ihn, wenn es um solidarische Ökonomie und die Todsünden des Kapitalismus ging, zur Radikalität trieb; vielleicht auch, weil er wusste, dass Machtworte oft nur Zeichen von realer Ohnmacht sind.
Die Konservativen, und es sind viele, haben sich immer wieder sehr gut gegen den Papst und gegen Reformen organisiert. Die Reformer haben den lateinamerikanischen Papst zu wenig unterstützt. Marco Politi, ein großer Vatikan-Spezialist, Journalist und Buchautor, beschreibt in seinem neuen Buch die Abgründe im Vatikan, er beschreibt einen Bürgerkrieg in der Kirche. Wie geht es weiter? Quo vadis? Wer Auskunft darüber haben will, der liest Marco Politis Buch mit großem Gewinn.
Marco Politi: Der Unvollendete. Franziskus‘ Erbe und der Kampf um seine Nachfolge. Das Buch ist im Verlag Herder erschienen, es hat 237 Seiten und kostet 22 Euro.