Um Papst Franziskus zu verstehen, muss man wissen, was das Zweite Vatikanische Konzil wollte, was es brachte und was sein Erbe ist. Papst Franziskus versteht sich nämlich als Testamentsverwalter und Testamentsvollstrecker dieses Konzils, das vor gut 60 Jahren, im Oktober 1962, begann. Dieses Konzil war ein gewaltiger Aufbruch, es war der Versuch der katholischen Kirche, Anschluss an die Moderne zu finden. Zu den Beratern dieses Konzils gehörten der damals ganz junge Joseph Ratzinger und der damals auch ganz junge Hans Küng. „Teenagers des Konzils“ nannte man sie. Beide waren kluge Köpfe, beide waren liberal – und haben sich dann ganz verschieden entwickelt. Küng blieb der progressive Theologe, Ratzinger wurde zum orthodoxen Theologen. Ratzinger stieg in der Kirche auf, maßregelte seinen Weggefährten Küng und wurde zum Anti-Modernisten.

Wie ging das zu, wo geht das hin? Wer das genauer wissen will, der lese das wohlinformierte Buch des Jesuiten Andreas R. Batlogg, das vor ein paar Monaten zum 60. Jahrestag der Konzilseröffnung erschienen ist. Es heißt: „Aus dem Konzil geboren. Wie das II. Vatikanische Konzil der Kirche den Weg in die Zukunft weisen kann“. Es ist dies das kluge Werk eines Theologen, der so alt ist wie das Konzil. Es ist zu seinem Lebensthema geworden – als Mitherausgeber der Werke des großen Theologen Karl Rahner, als jahrelanger Chefredakteur der Jesuitenzeitschrift Stimmen der Zeit, als Prediger in der Münchner Jesuitenkirche St. Michael. Das Geleitwort zum Buch hat der 94-jährige Jesuit Wolfgang Seibel geschrieben, der einst als junger Journalist für die Katholische Nachrichtenagentur vom Konzil berichtete.

Zur Lese-Anregung noch ein Witz aus den Nachkonzilsjahren, der die ecclesialen Rivalitäten schön auf den Punkt bringt: Karl Rahner, Hans Küng und Joseph Ratzinger sehen am See Genezareth Jesus am anderen Ufer stehen, der sie zu sich herwinkt. Der alte Jesuit Rahner geht als erster vor – und kommt, wenn er auch einmal fast stolpert, trocken bei Jesus an. Der junge Ratzinger folgt ihm leichtfüßig; und auch er ist recht bald drüben. Nur Küng, am selbstsichersten angetreten, droht zu versinken – bis ihn die rettende Hand Jesu hochzieht. Raunt Rahner Ratzinger zu: „Wir hätten ihm doch verraten sollen, wo die Steine liegen.“ Darauf Ratzinger: „Wie – da waren Steine?“

Andreas R. Batlogg: Aus dem Konzil geboren. Wie das II. Vatikanische Konzil der Kirche den Weg in die Zukunft weisen kann. Das Buch ist 2022 im Tyrolia-Verlag Innsbruck-Wien erschienen, hat 224 Seiten und kostet 22 Euro.

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