Dieses Werk ist ein wissenschaftlicher Corona-Thriller. 17 Professorinnen und Professoren des Rechts, der Philosophie und der Soziologie schreiben darin über den elementaren Konflikt, den die Bewältigung der Corona-Pandemie mit sich gebracht hat und den der Versuch der Bewältigung der Klima-Katastrophe mit sich bringen wird: Freiheit oder Leben? Es geht, so der treffende Untertitel, um „das Abwägungsproblem der Zukunft“ – und die Debatte wogt mit Kraft und Verve hin und her, die Positionen prallen hart aufeinander. Eingeleitet wird der Band mit einem Essay von Jürgen Habermas, in dem er seine anfechtbare, sich von seinem Lebenswerk distanzierende Position entwickelt, dass sich die Politik in Ausnahmesituationen wie der Pandemie gegen das Recht durchsetzen müsse.

Da fällt mir beim Lesen, auch wenn ich diese Position schon kenne, das Buch aus der Hand. Aber es lohnt sich, es dann wieder aufzuheben und weiterzulesen, denn Habermas wird ebenso heftig wie brillant kritisiert – etwa von Stefan Huster (Bochum) und Uwe Volkmann (Frankfurt am Main), in der Sache auch von Günter Frankenberg (Frankfurt am Main), Oliver Lepsius (Münster) und Lutz Wingert (Zürich). Der Regensburger Gesundheitsrechtler Thorsten Kingreen analysiert, warum mit dem „Zeitalter der Schutzpflichten“ schwierige Zeiten für die Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat anbrechen: Sie geraten zwischen die Räder immer neuer Schutzpflichten, „die das Bundesverfassungsgericht an den Gesetzgeber richtet, diesem aber im Gegenzug zusichert, ihn dann bei der Abarbeitung dieser Aufträge auch nicht zu sehr mit gerichtlicher Kontrolle zu behelligen.“ Da braucht es noch viele Thriller, um wieder zu einer verträglichen Rechtsanwendung zu, kommen.

Klaus Günter und Uwe Volkmann (Hrsg): Freiheit oder Leben? Das Abwägungsproblem der Zukunft. Das Buch ist 2022 bei Suhrkamp in der Reihe Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft erschienen. Es hat 380 Seiten und kostet 24 Euro.

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