Auf dem Umschlag steht, es handele sich um ein „glänzend geschriebenes Buch“, um eine „fulminante Studie“. Dergleichen Werbung steht auf vielen Buchumschlägen. Bei diesem Buch ist das kein Geklingel, es ist die Wahrheit. Das Werk von Benjamin Lahusen über die deutsche Justiz in Kriegs- und Nachkriegszeiten ist eine Entdeckung, es ist ein furioses Meisterwerk, es ist inhaltlich beeindruckend und sprachlich brillant. Lahusen, Professor für Bürgerliches Recht und Neuere Rechtsgeschichte an der Europa-Universität in Frankfurt an der Oder, schreibt über die Deutschen und ihre Justiz von 1943 bis 1948. Er zeigt, wie weder der sogenannte Endkampf, noch der staatliche Zusammenbruch den juristischen Dienstbetrieb unterbrechen konnten, er belegt, wie nach dem Krieg das alltägliche Recht des Dritten Reiches so fortgeführt wurde, als wäre nichts passiert.

Lahusen widerlegt alle Vorurteile über die angebliche Sperrigkeit juristischer Bücher. Das Buch beruht, man glaubt es kaum, auf seiner Habilitationsschrift; eine Habilitationsschrift, die ich so gespannt und, des ernsten Themas zum Trotz, auch immer wieder glucksend vor Vergnügen gelesen habe, hatte ich noch nie in der Hand. Lahusen ist akribisch und bissig zugleich: „Jedem Bürger seinen eigenen Krieg. Das Recht schuf die Möglichkeit, einem kollektiven Ausnahmezustand einen individuellen Normalzustand entgegenzusetzen.“ Oder: „Das Alltägliche, Routinierte, Gleichförmige der Rechtsverwaltung bot den Rechtsarbeitern und ihrem Publikum gleichermaßen die beschwichtigende Illusion einer ungestörten Normalität. Die Welt war noch nicht aus den Fugen, dafür gab es bei Gericht sogar Brief und Siegel.“ Und: „Selbst für den industriellen Massenmord waren die normalen Dienstleistungen der Justiz durchaus brauchbar: Auch für die Konzentrationslager wurden Grundbücher angelegt.“

Lahusen teilt ein und er teilt aus: Nicht nur gegen Carl Schmitt, den er einen juristischen Borderliner nennt, „der in seinem metaphysischen Fieberwahn ein ganzes Füllhorn dunkler Weisheiten über die angebliche Unzulänglichkeit des Rechts ausgeschüttet hat“. Auch gegen Giorgio Agamben, der „das vorerst letzte Bad in diesem Bassin der Ergriffenheit“ genommen habe. Und das ist Lahusens Urteil über die Juristen in der angeblichen „Stunde Null“, die es, wie er in seinem Buch beweist, 1945 nicht gegeben hat: „In mühevoller Kleinarbeit werkelten die Juristen an der Kompostierung des Kriegsendes.“

Benjamin Lahusen: „Der Dienstbetrieb ist nicht gestört“. Die Deutschen und ihre Justiz 1943 – 1948. Das Buch ist soeben im Verlag C.H.Beck erschienen, es hat 384 Seiten und kostet 34 Euro.

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