Im nahen Zusammenleben der Menschen hat sich kaum je so viel, so schnell und so grundlegend geändert wie in den vergangenen Jahrzehnten. Das Recht der Ehe und Familie von heute hat mit dem von vor fünfzig Jahren kaum noch etwas zu tun. Es hat sich seitdem mehr geändert als zuvor in Jahrhunderten. Das zeigt sich auch an und in der juristischen Literatur. Das exzellente Lehrbuch „Familienrecht“ des emeritierten Regensburger Ordinarius Dieter Schwab ist soeben in der dreißigsten (!) Auflage erschienen. Schwab war mein Doktorvater, ich habe im Studium und nachher an seinem Lehrstuhl gearbeitet – und unendlich viel von ihm gelernt; nicht zuletzt, wie man rechtliche Kompliziertheiten einigermaßen verständlich darstellt. Im Kapitel über die Abstammung schildert Schwab die „Besonderheiten bei der künstlichen Zeugung“ beeindruckend kurz und klar auf knappen fünf Seiten.

Die erste Auflage ist aus dem Jahr 1980, die dreißigste erschien soeben. Was zeigt sich in der schnellen Abfolge der vielen Auflagen? Es zeigt, in welch hoher Schlagzahl sich das Ehe- und Familienrecht geändert hat. Es zeigt, wie rasch sich das Recht auch dann, wenn es Ideal- und Wunschbilder hochhält und sich an ihnen festhält, nach einiger Zeit das nachvollziehen und anerkennen muss, was neben dem hochgehaltenen Ideal Realität geworden ist. Das hat das Recht getan, zum Beispiel bei der Scheidungsreform. Recht kann aber mehr; es kann mehr als nur Altes zu verteidigen und Neues widerstrebend anzuerkennen: Es kann auch versuchen, den sich abzeichnenden Entwicklungen ahnend vorauszueilen und der gesellschaftlichen Akzeptanz dafür vorsichtig den Weg zu bereiten – so wie es das bei den Rechten für Schwule und Lesben gemacht hat. Da war das Bundesverfassungsgericht eine Art Pfadfinder. Das Familienrechtsbuch von Schwab ist auch eine Art Pfadfinderbuch: Es führt durch die Fährnisse des Lebens und lehrt ihre rechtliche Bewältigung.

Dieter Schwab: Familienrecht. Grundrisse des Rechts. 30. Auflage, erschienen soeben im Verlag C.H. Beck. Das Buch hat 559 Seiten und kostet 27,90 Euro

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