Eigentlich ist es unanständig, das Ende eines Buches zu verraten, aber in diesem Fall nicht. Helga Schuberts Buch „Vom Aufstehen“ endet so: „Alles gut.“ Es ist ein Buch voll zarter und warmer Poesie, Ehrlichkeit und Lebensweisheit. Ich empfehle Ihnen die Lektüre zu Ostern; Ostern ist das „Alles-gut-Fest“, das Fest, das „vom Aufstehen“ handelt. „Ein Leben in Geschichten“ lautet der Untertitel des Buches. Es ist nicht irgendein Leben, es ist Helga Schuberts Leben, und in dem war, als es begann, nicht viel gut, gar nichts eigentlich. Helga Schubert lässt uns an ihrer Geschichte teilhaben. Geschrieben hat sie dieses Buch, da war sie am Ende des achten Lebensjahrzehnts und ihre Mutter war soeben gestorben: „Wir wollen doch noch ein bisschen leben, sagte meine Mutter zu mir, als sie mit hunderteins auf der Intensivstation lag.“
Es ist dies der Moment im Schlusskapitel des Buches, da man die Luft anhält, wenn die Tochter wie beiläufig und umso eindringlicher von der ersten und einzigen liebevollen Geste der Mutter berichtet. „Sie drückte meine Hand zweieinhalb Stunden fest. Und sprach ununterbrochen, vieles verstand ich nicht, so leise und monoton: Ich habe drei Heldentaten vollbracht, die dich betrafen. Erstens: Ich habe dich nicht abgetrieben, obwohl dein Vater das wollte. (…) Zweitens: Ich habe dich bei der Flucht aus Hinterpommern bis zur Erschöpfung in einem dreirädrigen Kinderwagen im Treck bis Greifswald geschoben, und drittens: Ich habe dich nicht vergiftet oder erschossen, als die Russen in Greifswald einmarschierten.“ Das ist eine der Geschichten, die Helga Schubert zu erzählen hat, Geschichten vom Aufstehen aus dem lieblosen Kriegskind-Schicksal, der Annäherung an ihre Mutter und der Versöhnung mit sich selbst. Alles gut. Das Buch ist bereits im Jahr 2021 als Hardcover erschienen und 2022 als Taschenbuch. 2024 ist es mein und vielleicht auch Ihr Osterbuch.
Helga Schubert: Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten, erschienen bei dtv München 2022. Das Taschenbuch hat 224 Seiten und kostet 13 Euro.