In keiner anderen Knospe steckt so viel Kraft wie in der prallen Knospe der Pfingstrose. Wenn sie aufblüht, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Pfingstrose ist eine Power-Blume und das Pfingstfest ein Power-Fest. Es ist ein unterschätztes Fest; es steckt so viel drin. Annette Schavan, eine engagierte Katholikin, Bundesbildungsministerin unter Kanzlerin Angela Merkel und dann deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl, zeigt das in einem pfingstlichen Sammelband: Pfingsten als Fest der Ermutigung und des Aufbruchs. Es geht Schavan darum, in einer Zeit der Kirchenschmelze „Leidenschaft für Gerechtigkeit und Freiheit“ zu entwickeln und „Taten der Barmherzigkeit zu wagen“. Im letzten Satz eines der Texte im Buch heißt es: „Die soziale Temperatur in der Gesellschaft wird ohne die Kirche sinken“.

28 Beiträge aus Publizistik, Wissenschaft, Kultur, Politik, den christlichen Orden und von Schriftstellern hat Schavan in ihrem Buch versammelt (darunter ist auch ein Beitrag von mir). Mich hat am meisten der Text von Philipp Rösler berührt, der einst Bundesgesundheitsminister, Bundeswirtschaftsminister und Bundesvorsitzender der FDP war. Rösler ist in Südvietnam geboren, er kam 1973, während des Vietnamkriegs, im Alter von neun Monaten nach Deutschland. Bewegend schreibt er über sein persönliches Pfingsterlebnis im Jahr 2022 in der kleinen Kapelle eines Waisenhauses mitten im Mekong-Delta in Vietnam.