Die Leseempfehlung beginnt heute mit einer Liedempfehlung – hier in der begeisternden Aufnahme aus einem russischen Songcontest. Es ist ein Lied über die argentinische Nationaldichterin Alfonsina Storni, die 1938, an Krebs erkrankt, den Tod im Atlantik suchte und von einer Klippe sprang. In diesem Lied lebt sie fort: Alfonsina y el mar. Die Sängerin Mercedes Sosa hat das Lied zu einer lateinamerikanischen Nationalhymne gemacht.

Für mich, vielleicht auch für Sie, ist dieses Lied „Alfonsina y el mar“ eine Hin- und Einführung in das Werk einer Dichterin, die in Europa kaum einer kennt, die aber eine der bedeutendsten Lyrikerinnen Lateinamerikas ist. Alfonsina Storni war ein Emigrantenkind, benannt nach ihrem Vater Alfons, kam 1896, im Alter von vier Jahren, aus dem Tessin nach Argentinien; sie wurde in einer Männergesellschaft groß und rebellierte dagegen: als Dichterin, Journalistin, Theaterfrau. Alfonsina Storni ist eine argentinische Franziska zu Reventlow – klug, witzig, lebenslustig.

Die Schweizer Literaturwissenschaftlerin Hildegard Keller (Autorin des famosen Romans „Was wir scheinen“ über Hannah Arendt) zählt Storni zu den wichtigsten Frauenstimmen ihrer Generation. Keller hat Stornis Werk 2021 in vier schönen Bänden für die „Edition Maulhelden“ übersetzt und herausgegeben. Der erste Band heißt Chicas. Kleines für die Frau; der zweite Band sammelt Geschichten, der dritte Briefe und Interviews, der vierte („Cimbelina“) prickelnd-giftige Theaterstücke. Jeder Band hat knapp dreihundert Seiten und kostet 28 Euro.

 

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