Wer den Bundestag nur alle fünf Jahre wählen lässt, schrumpft die Demokratie. Es müssen daher gleichzeitig die Rechte der Bürger auf andere Weise gestärkt werden – durch Plebiszite.

Von Heribert Prantl

Diese Kolumne handelt von den Vorbereitungen auf das große Jubiläum des Grundgesetzes im Jahr 2024, sie handelt davon, was die Parteien aus diesem Anlass planen – und sie handelt von einem Urlaub in einem Ferienklub.

Stellen Sie sich vor, Sie machen Urlaub in einem Ferienklub und haben dort Vollpension gebucht, weil Ihnen Freunde davon vorgeschwärmt haben. Aber schon bald hängt Ihnen das Essen zum Hals hinaus. Es schmeckt einfach nicht. Zwar veranstaltet das Klubrestaurant einen gewaltigen Zirkus: Plakate werden geklebt, Zettel werden verteilt und sogar Werbedurchsagen per Lautsprecher gemacht. Aber Qualität und Geschmack des Essens stehen in umgekehrtem Verhältnis zu diesem Rummel.

Als Sie und andere Gäste sich darüber beklagen, reagiert das Klubrestaurant auf besondere Weise: Es teilt den Gästen mit, dass die Zeit zwischen den Hauptmahlzeiten um ein paar Stunden gestreckt wird. Das wird, so meint die Leitung des Restaurants, den Überdruss der Gäste am servierten Essen wieder mildern. Auf Bairisch sagt man da: „Der Hunger treibt’s nei.“

Wie die Verdrossenheit sinkt

So ähnlich argumentieren Politiker der Ampelkoalition und der CDU/CSU, die eine Verlängerung der Legislaturperiode des Bundestags von vier auf fünf Jahre beschlossen haben. Das erfordert eine Änderung des Grundgesetzes. Soll das wirklich ein gutes Geschenk sein zum 75. Geburtstag der Verfassung, den wir im Jahr 2024 feiern?

Man will, so heißt es, der Politikverdrossenheit auf diese Weise wirksam begegnen. Das freilich ist ein dummes Argument für ein ansonsten diskutierenswertes Vorhaben. Die Leute sind nämlich weniger des Wählens überdrüssig als der Art und Weise, wie Wahlkampf gemacht und Politik propagiert wird.

Die Qualität der Politik steht dabei oft im umgekehrten Verhältnis zum Rummel, der veranstaltet wird. Und dieser Rummel wird nicht schon dann genießbar, wenn er nicht alle vier, sondern nur noch alle fünf Jahre stattfindet. Soll die Verdrossenheit sinken, wenn man die Leute einfach seltener wählen lässt? Das hieße, sie wären dann am zufriedensten, wenn sie gar nicht mehr zur Wahl gerufen werden. Das ist Nonsens.

Der Takt der Demokratie

Längere Wahlperioden bedeuten die Reduzierung der demokratischen Mitwirkung der Bürger. Sie wären dann ein Jahr länger ihres Rechts beraubt, ihre Meinung wirksam kundzutun. Am Ende der verlängerten Periode würde der Bundestag dann, die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten eingerechnet, eine politische Konstellation widerspiegeln, die sechs bis sieben Jahre alt ist.

Wenn nur alle fünf Jahre gewählt wird, schrumpft die Demokratie. Weniger Wählen bedeutet weniger Demokratie. Eine Verlängerung der Wahlperiode kann überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn gleichzeitig die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf andere Weise gestärkt werden.

Es muss ein Ausgleich geschaffen werden – durch neue Formen der demokratischen Bürgerbeteiligung, also durch plebiszitäre Elemente, durch mehr Demokratie in anderer Form als der Parlamentswahl. Das ist ein demokratisches Junktim. Das Grundgesetz braucht man zu diesem plebiszitären Zweck auch gar nicht zu ändern, so steht es nämlich schon seit 74 Jahren im Grundgesetz: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (…) ausgeübt.“ Das ist deutlich genug.

Dieser Artikel muss endlich vollständig aktiviert werden: „Wahlen und Abstimmungen“ machen die Demokratie aus. Die meisten Bundesländer haben für ihre Landtage die fünfjährige Legislaturperiode schon eingeführt. In all diesen Ländern mit der fünfjährigen Legislatur gibt es auch das Plebiszit.

Eine fünfjährige Wahlperiode plus Plebiszite: Das ist ein guter Takt für die Demokratie. In dieser Kombination kommt die Demokratie nicht zu kurz. Und in dieser Kombination gibt es auch ein vernünftiges und gewichtiges Argument für die Verlängerung der Wahlperiode. Bei einer nur vierjährigen Wahlperiode vergeht das erste Jahr mit Koalitionsverhandlungen und Einarbeitung, das vierte Jahr mit Wahlkampf. So bleiben zwei Jahre für die effektive Sacharbeit, für die, wie man sagt, „eigentliche Gesetzgebungsarbeit“.

Das Salz in der Suppe

In einer fünfjährigen Wahlperiode sind Plebiszite notwendige, demokratisch belebende Elemente. Sie beleben Diskussionen unter den Bürgern, sie fokussieren Entscheidungen zu Fragen, die in Wahlkämpfen untergehen. Das hat sich in den Bundesländern bewährt. Und was dort richtig ist, kann im Bund nicht falsch sein. Ich habe meine kleine Abhandlung über die Demokratie mit Gedanken übers Essen begonnen. Also ein kulinarisches Bild auch zum Schluss: Plebiszite sind das Salz in der Suppe. Sie sind die Würze der parlamentarischen Demokratie.

 


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