Hannes Haas, 1957 – 2014, österreichischer Medien- und Kommunikationswissenschaftler. Er war Leiter des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Universität Wien, und Professor für Journalismusforschung .

Bei dem Text handelt es sich um das Vorwort zu „Heribert Prantl – Die Welt als Leitartikel“ in denen Prantls Vorlesungen zur Poetik des Journalismus an der Universität Wien im Jahr 2011 dokumentiert sind.


Es gibt Künstler, die nicht nur vom Publikum, sondern in besonderer Weise auch von ihren Kolleginnen und Kollegen geschätzt werden, nennen wir sie »Künstlerkünstler«. So etwas gibt es auch im Journalismus, den Typus des »Journalistenjournalisten«! Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion und Leiter des Ressorts Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, ist so ein »Journalistenjournalist«. Einer, auf den man im Journalismus hört, weil er über den Beruf etwas zu sagen hat. Er hatte dazu in vielen Interviews mit österreichischen Medien Gelegenheit, vor allem aber in seinen Wiener Vorlesungen. Professor Dr. Heribert Prantl war der »Theodor-Herzl-Dozent für Journalismus 2011«. Dieses Buch enthält seine Herzl-Vorlesungen an der Universität Wien.

Als »konstruktiven Unruhestifter« hatte ich ihn angekündigt, als einen engagierten Verteidiger der Grundrechte, der auch den Journalismus immer wieder an seine öffentlichen Aufgaben erinnert. Und dasist gerade in krisenhaften Zeiten dringend notwendig,wenn bei der fieberhaften Suche nach »Geschäftsmodellen« die Kernaufgaben des Journalismus: Aufklärung, Kritik und Kontrolle, auf der Strecke zu bleiben drohen.

Den Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, einer der wichtigsten europäischen Qualitätszeitungen, zum Herzl-Dozenten zu machen, ist ganz leicht: Er hat meine Einladung spontan angenommen. Die Probleme begannen nach der Zusage: Die Dozentur ist Teil meiner jährlichen Journalismusvorlesung im Hauptgebäude der Universität am Ring jeweils am Mittwoch um zehn Uhr. Einen der SZ-Chefs drei Mal mitten in der Woche zur Vorlesung nach Wien zu bringen, ist mehr als eine logistische Herausforderung, es ist ein Kunststück, das letztlich nur durch die freundliche Unterstützung und das Improvisationstalent der Münchner Kollegen Prantls gelingen konnte. Dafür allen Beteiligten herzlichen Dank! Nach der Vorlesung fanden im Wiener Café Landtmann gelegentlich kleine telefonische Redaktionskonferenzen mit München statt. Es waren nicht die ersten Schlagzeilen, die dort entstanden sind.

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Heribert Prantl war unser 13. »Theodor-Herzl-Dozent für eine Poetik des Journalismus«. Die Dozentur ist nach zwölf Jahren soweit etabliert, dass Journalisten bereits im Januar nachfragen, wer denn dieses Jahr kommen werde. Die Herzl-Dozentur ist unser Statement für Qualitätsjournalismus. Für einen Journalismus auf höchstem Niveau, der sich seiner Aufgaben für Gesellschaft und Demokratie bewusst ist. Die Journalistinnen und Journalisten, die wir einladen, haben etwas geleistet, das wir »ein Werk« nennen. Ein Werk,über das sich zu reflektieren lohnt. Die Frage der journalistischen Qualität soll über eine universitäre in eineallgemeine Öffentlichkeit getragen werden, die Vorlesungen sind auch für nicht studierende Interessierte frei zugänglich.

Und weil noch immer manche fragen: »Poetik« bedeutet »schöpferisch tätig sein, herstellen, verfertigen«. Die »Poetik des Journalismus« analysiert journalistische Werke, die Bedingungen ihrer Entstehung, die Methoden und Verfahren, die Kontexte und Herstellungsprozesse. Darüber und über ihre Position, ihre Arbeitsweisen und ihren Zugang zum Journalismus sprechen die Journalistinnen und Journalisten in ihren Vorträgen. Die Dozentur versteht sich als Teil einer langen und internationalen universitären Tradition, die in den Bereichen von Musik, Literatur und Kunst selbstverständlich geworden ist. Wir meinen, das sollte auch für einen Journalismus mit gesellschaftlichem Mehrwert gelten.

Für die organisatorische Unterstützung danke ich Dr.in Petra Herczeg und Martina Winkler, die sich seit der Gründung der Dozentur für dieses Projekt engagieren, ganz herzlich! Sie haben seit 2000 folgende Theodor-Herzl-Dozentinnen und -Dozenten betreut:

Margrit Sprecher, Kai Hermann, Elizabeth T. Spira, Herbert Riehl-Heyse, Peter Huemer, Luc Jochimsen, Klaus Harpprecht, Gerhard Kromschröder, Sibylle Hamann, Antonia Rados, Alice Schwarzer, Florian Klenk und Heribert Prantl. Unterstützt werden wir dabei von der Stadt Wien, dem Kuratorium für Journalistenausbildung und seit 2009 auch von der Universität Wien, wofür ich mich an dieser Stelle ebenso bedanken möchte wie bei unseren Verlegern Dr. Alexander Potyka und Dorothea Löcker und ihrem Team beiPicus. Erfinder und Gründer der Dozentur ist Wolfgang R. Langenbucher, der mir 2008 die Leitung übergeben hat.

Die Karikatur am Ende dieses Vorworts verdanken wir dem großartigen Oliver Schopf, dessen Arbeiten unter anderem aus dem Standard und der Süddeutschen Zeitung bekannt sind. Er war nicht nur einer der Prantl-Hörer, sondern schloss sich nach der Vorlesung auch der Runde aus Journalismus und Wissenschaftzur Nachbearbeitung im Kaffeehaus an. Ich hatte eineIdee und Oliver Schopf hat aus dieser Spontanidee eine wunderbare Zeichnung gemacht: Er schuf eine narrative Karikatur der Vorlesung, sie erzählt eine Geschichte, nein, Geschichten, Details und Assoziationen, die er zusammenführt und auf den Punkt bringt. Dafür ein großes Danke!

Heribert Prantl behandelte in seinen Vorlesungen zentrale Fragen des Journalismus:

1. Die Zukunft des Journalismus: Zwischen Morgen und Grauen? Oder: Die Zeitung ist tot, es lebe die Zeitung.

2. Die Leitartikler und Kommentatoren als verkappte Politiker: Wozu und zu welchem Ende gibt es Meinungsjournalismus?

3. Pressefreiheit: Ein Grundrecht zur bequemeren Berufsausübung?

Er beeindruckte die Hörerschaft mit bannender Redekunst und Wissen, mit seinen Erfahrungen als Richter, Staatsanwalt, Chefredakteur und Professor. Prantl laviert nicht, er vertritt seine Überzeugungen mit Nachdruck. Sein journalistisches Credo: »Ein Journalist braucht keine Partei, er braucht Haltung. Im Wort Haltung steckt das Wort ›Halt‹: Die Gesellschaft braucht ihren Halt in den Grundwerten. Ich habe meine Aufgabe als politischer Journalist stets vor allem darin gesehen, für die Grundrechte und Grundwerte einzutreten: Respekt für Minderheiten, soziale Verantwortung, Gleichheit vor dem Gesetz. In der Präambel der schweizerischen Verfassung steht ein Satz, der mir unglaublich gut gefällt: ›Die Stärke eines Volks misst sich am Wohl der Schwachen.‹ Zu dieser Stärke möchte ich mit meinen Mitteln beitragen.« (2. Vorlesung am 11. Mai 2011)

So spricht ein journalistischer Mutmacher und solche braucht es heute mehr denn je. Sein Optimismus gründet auf Überzeugung und Haltung, einer unbedingten Forderung nach Qualität und dem Bekenntniszur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben des Journalismus, denn nur für die Erfüllung dieser Aufgaben gibt es das Grundrecht der Pressefreiheit. Es ist aber kein euphorisch-naiver, sondern ein dialektischer Optimismus, der ihn zum Mutmachen führt. Zu genau kennt er die Probleme, Schwächen und drohenden Gefahren, die zwischen »Morgen und Grauen« lauern: »Die große Gefahr für den Journalismus hierzulande geht vom Journalismus, von den Medien selbst aus – von einem Journalismus, der den Journalismus verachtet; von Verlegern und Eigentümern, die ihn wegen echter oder vermeintlicher Sparzwänge kaputt machen; von Medienunternehmen, die den Journalismus auf den Altar des Anzeigenund Werbemarkts legen. In Zeiten der einbrechenden Anzeigenerlöse brechen auch die Grundsätze journalistischer Ethik schnell ein.« (1. Vorlesung am 13. April 2011)

Sein Befund deckt sich mit wissenschaftlichen Untersuchungen, in den Medien wird über die Medienkrise noch vorwiegend im Ressort »Ausland«berichtet. Aber auch bei uns befinden sich die klassischen Massenmedien und mit ihnen der Journalismus in einer Krise, genauer gesagt in einer Krise in der Krise. Ähnlich wie bei den berühmten russischen Holzpuppen, den Matrjoschkas, stecken diese Krisen ineinander. Zu sehen ist jeweils nur die oberste, das ist eine durch Wirtschaftsund Finanzkrise hervorgerufene ökonomische Krise, die zu Einbrüchen bei den Werbeeinnahmen geführt hat. Aber dahinter versteckt sich auch eine strukturelle Krise: Mediale Innovationen wie das Internet, eine individualisierte, zeitund ortsunabhängige Mediennutzung und das Entstehen einer Gratiskultur auf den neuen Aufmerksamkeitsmärkten wurden von den analogen Medien einfach verschlafen. Die wunderbaren Margen, die man mit Medien erzielen konnte, sind durchwegs kleiner geworden. Viele Medieneigner haben erst reagiert, als die neuen Karten auf dem Tisch lagen beziehungsweise verteilt waren und registriert, dass sich – publizistisch und ökonomisch – ihr Blatt verschlechtert hat. Sie handelten und handeln nicht als publizistisch orientierte Verleger, sondern als Manager, die auf betriebswirtschaftliche Automatismen – von Strategien sollte man nicht sprechen – setzen. Sie reduzieren die Kosten auf Kosten des Produkts, verkleinern die Redaktionen und sparen beim Journalismus. Prantl warnt: »Pressefreiheit ist nicht die Freiheit, Redaktionen auszupressen. Pressefreiheit ist auch nicht die Freiheit, sie durch redaktionelle Zeitarbeitsbüros zu ersetzen, als gelte es, ein Callcenter eine Weile am Laufen zu halten. Pressefreiheit ist nicht die Freiheit der Heuschrecken, sondern die Freiheit verantwortungsbewusster Journalisten und Verleger. Heuschrecken fressen alles, auch die Pressefreiheit. Manchmal tarnen sich Heuschrecken auch als liebliche Käfer.« (1. Vorlesung am 13. April 2011)

Kann auch mit kleinen Redaktionen, die zur selben Menge an Output verpflichtet sind wie die zuvornoch größeren Redaktionen, das Auskommen gefunden werden? Nein: Weniger Personal, gleicher Output – das bedeutet, dass weniger Zeit für Recherche bleibt,eine Einschränkung der Themenwahl stattfindet, aufwendige, komplexe Geschichten nicht mehr vorkommen, weniger Zeit für die adäquate Aufbereitung zur Verfügung steht. Wer beim Journalismus, wer bei der Recherche spart, der riskiert demokratische »Flurschäden« (Jürgen Habermas) und mindert die WahlundEntscheidungschancen für die Öffentlichkeit. Es istgefährlich, die wichtigsten Güter des Journalismus, nämlich seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Rezipienten aufs Spiel zu setzen. »Ein Journalismus, dem die Leute trauen und vertrauen, ist wichtiger denn je. Die große Frage lautet nicht: Wie schafft man Klicks, Reichweite, Auflage. Die große Frage lautet: Wie schafft man Vertrauen? Dann kommen auch Klicks, Reichweite und Auflage.« (2.Vorlesung am11.Mai 2011) Merke: Nicht jede Erregung von Aufmerksamkeit ist auch schon Journalismus …

Der Atem des Journalismus droht kurz und flachzu werden. Beispiele gibt es mehr als genug: Wenn etwa Politikberater in TV-Interviews als politische Analytiker befragt werden, wir aber als Zuseher nicht erfahren, wen sie beraten, dann ist das der Königsweg – für die Politikberater. Für den politischen Journalismus aber ist es eine Strophe im Abgesang und für das Publikum Etikettenschwindel. Gleiches gilt für unzureichend gekennzeichnete Werbung in den Printmedien, also die Grenzüberschreitungen zwischen den strikt getrennt zu haltenden Abteilungen Redaktion und Anzeigen. Da wird ein Vertrauensgrundsatz gegenüber den Rezipienten gebrochen. Nie waren unsere Medien – auch die Qualitätsmedien – so voll mit Schleichwerbung, unzureichend gekennzeichneten Anzeigen, Advertorials, sogenannten Medienkooperationen und ähnlichen Täuschungen des Publikums. Diese Praktiken drohen zur Selbstverständlichkeit zu werden, für die man sich nicht einmal mehr geniert. Da werden – als Variation auf F.W. Bernstein – die schärfsten Kritiker der Elche selber welche. Die Sitten verludern, es fehlt am »Public Value«, der vor allem von anderen eingefordert wird. Dabei lohnte sich dieKonzentration auf die öffentliche Aufgabe: »Ich bindavon überzeugt: Wenn die journalistische Bilanz der Zeitung, eines Medienunternehmens stimmt, dann stimmt langfristig auch die ökonomische.« (1.Vorlesung am 13. April 2011) Das Grundrecht der Pressefreiheit wurde nicht zur Förderung von Gewerbetreibenden erkämpft.

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Heribert Prantl wurde am 30. Juli 1953 im oberpfälzischen Nittenau geboren. Die Familie – die Mutter Schneidermeisterin, der Vater Oberamtsrat und Stadtkämmerer von Nittenau und viele Jahre langKirchenpfleger und Kolping-Vorsitzender – ist katholisch, sozial engagiert und im Vereinsleben der Stadt aktiv. Die Großmutter, Maria Prantl, vermittelt ihm die Faszination für das Schreiben: Täglich schreibt sie mit Feder und Tinte Briefe an die sehr große Verwandtschaft, der junge Heribert sitzt bei ihr und darfdas Löschblatt auflegen. Die Wirkung setzt früh ein,schon mit fünfzehn Jahren wird er Journalist. Gemeinsam mit seinem Bruder Bernhard, der Schreibmaschine schreiben und Fotos entwickeln konnte, belieferte er den Tagesanzeiger Regensburg, die Mittelbayerische Zeitung und als drittes Lokalblatt den Neuen Tag mit Storys über Feuerwehrversammlungen oder Pfarrgemeinderatssitzungen. Das bescheidene Zeilenhonorar von acht Pfennig wurde mit Hilfe von Durchschlägen verdreifacht.

Nach dem Abitur 1973 und dem danach absolvierten Grundwehrdienst studierte er ab 1974 Philosophie, Geschichte und Rechtswissenschaften in München, Tübingen und Regensburg, wo er die juristischen Staatsexamen absolvierte und als Assistent von Professor Dieter Schwab am Lehrstuhl für Zivilrecht, Familienrecht und Deutsche Rechtsgeschichte magna cum laude promovierte. Auch wissenschaftlich führte er die Welten des Juristen und des Journalisten, die er beide mehr oder weniger parallel bewohnt hatte, zueinander. Für seine Doktorarbeit, die 1983 unter dem Titel: »Die journalistische Information zwischen Ausschlußrecht und Gemeinfreiheit. Eine Studie zum sogenannten Nachrichtenschutz, zum mittelbaren Schutz der journalistischen Information durch § 1 UWG und zum Exklusivvertrag über journalistische Informationen.« im Bielefelder Verlag E. u. W. Gieseking erschienen war, wurde er mit dem Wissenschaftspreis der Universität Regensburg und des Hauses Thurn und Taxis für die Rechtsund Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. In der journalistischen Welt hatte er in diesen Jahren eine Ausbildung beim Münchner Institut zur Förderung des journalistischen Nachwuchses und Volontariate bei den Stuttgarter Nachrichten, beim Neuen Tag in Weiden, beim Bayerischen Rundfunk und der italienischen RAI absolviert. In der Juristenwelt arbeitete er von 1981 bis 1987 zunächst als Anwalt, dann als Richter in mehreren Amtsund Landgerichten so wie schließlich als Staatsanwalt. Zwischen den beiden Welten schuf er sich Fenster: Als Pressesprecher des Landgerichts Regensburg organisierte er erstmals»Tage der offenen Tür« und Kunstausstellungen imSchwurgerichtssaal, berichtet das Munzinger Archiv über Heribert Prantl. Das hätte wohl so weitergehen können, hätte ihn damals nicht der Ruf der Süddeutschen Zeitung ereilt. Der Ruf erfolgte telefonisch. Prantl erhielt das Angebot, die Nachfolge des rechtspolitischen Kommentators Robert Leicht anzutreten, der zur Wochenzeitung Die Zeit nach Hamburg gegangen war. Prantl wechselte 1988 aus dem Gerichtssaal in die Redaktion, oder wie er es ausdrückt: »Vom Bauerngericht zur Süddeutschen«.

Dort überraschte er Redaktion und Chefredaktion gleichermaßen, aber nacheinander. Hatte die Redaktion um die traditionell liberale rechtspolitische Kommentierung gefürchtet, vermeinte der damalige Chefredakteur Dieter Schröder nach Prantls ersten Kommentaren gegen die Kronzeugenregelung und das Vermummungsverbot einen »Wolf im Schafspelz« engagiert zu haben. Sie sollten beide unrecht behalten. Bald kamen zu den juristischen Themen die innenpolitischen, nach den Juristentagen die Parteitage. Aus dem rechtspolitischen wurde der innenpolitische Kommentator.

1992 stieg er zum leitenden Redakteur und stellvertretenden Redaktionsleiter auf, 1995 zum Ressortleiter Innenpolitik und 2010 zum Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. In diesen Jahren war er trotz einer – auch zeitlich – ausgefüllten journalistischen Arbeit der Wissenschaft treu geblieben. Er lehrt an den Journalistenschulen in Hamburg und München, hält seit 2002 Vorlesungen an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld, die ihn 2010 schließlich zum Honorarprofessor ernannte. Dass er noch kein Buch über Zeitmanagement geschrieben hat, ist schade, denn er könnte es: Nebenden genannten Tätigkeiten ist er nicht nur häufigerGast bei Radiound TV-Diskussionen und politischerKommentator bei öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern, sondern auch noch Autor zahlreicher politischer Bücher und Essays. Er engagiert sich im Senat der Deutschen Nationalstiftung, als Mitglied des Ethikrates der Hamburger Akademie für Publizistik, des P.E.N.-Zentrums Deutschland, als Kuratoriumsmitglied von Reporter ohne Grenzen und seit 2004 als Beirat bei der Stiftung zur Förderung der Rechtstatsachenforschung Pro Justitia.

Heribert Prantl ist ein Intellektueller, der sich einmischt und der die Zeit, die er gar nicht haben kann, in meritorische Aktivitäten investiert. Vermutlich würde er an dieser Stelle davor warnen, dass zu viel Weihrauch den Heiligen rußen könnte. Aber davor weiß er sich ohnehin zu schützen: Gerade sind seine weihnachtlichen Gedanken in einem Buch mit dem naheliegenden Titel »Der Zorn Gottes« (2011) erschienen.

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Man wird nicht sagen können, dass Heribert Prantl einen der typischen journalistischen Karriereverläufe genommen hat. Erst mit fünfunddreißig Jahren ist er ganz in den Journalismus eingestiegen. Und dochfinden sich Parallelen und Zusammenhänge zwischenseiner juristischen und seiner journalistischen Welt. Wer ihn reden hört und sieht, erkennt den Staatsanwalt, der sein brillantes Plädoyer hält. Überhaupt das Reden: Wer seine Texte laut liest, vernimmt eine sprechbare, dialogische und vortragsnahe Sprache. Vermutlich liest er seine Texte wirklich oder in Gedanken laut. Und es tut ihnen gut, gibt ihnen Rhythmus, Melodie und Klarheit. Mit dem Duo »Hinsichtl & Rücksichtl« kooperiert er nicht. Seine Prosa erinnert eher an die »Confessiones«.

Das Grundsätzliche ist sein Leitthema. Er kritisiert, dass der Rechtsstaat in einen Präventionsstaat umgebaut, das Recht verdünnt werde, »um so angeblich besser mit den globalen Risiken fertig zu werden«. In zahlreichen politischen Büchern, Essays, Leitartikeln und Kommentaren zeigt er sich als leidenschaftlicher und kämpferischer Verfechter der Grundrechte. Als gefragter Redner nutzt er Preisverleihungen, bei denen er seltener Laudator als Laudierter ist, für Grundsätzliches. Kein unverbindlich-freundlicher Small Talk darf da erwartet werden, sondern Fundamenta-les über die Gefährdung des liberalen und weltoffenen Rechtsstaats, engagierte und geschliffen formulierteParteinahme für die Freiheitsrechte der Bürger und die Forderung nach Prinzipientreue des Staates. Solche Konsequenz findet Anerkennung: Der deutscheAltbundeskanzler Gerhard Schröder meinte in seiner Laudatio zur Verleihung des Arnold-Freymuth-Preises, Heribert Prantl sei der »dritte Senat« des Bundesverfassungsgerichts, und Christian Semler nannte ihn 2004 in der Berliner tageszeitung den »St. Georg des Rechtsstaats«.

Prantl scheut nicht die Kontroverse. Er ergreift Position und bewahrt Haltung. Am Beginn seiner Karriere bei der Süddeutschen nahm er sich der Ausländerund Asylpolitik an, forderte soziale Integration und ein Einwanderungsrecht, warnte vehement vor einem »Wettlauf der Schäbigkeit«. Winfried Hassemer, der damalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, bewertete seine scharfe Kritik an der Asylrechtsprechung des höchsten Gerichts so: »Es istUrteilsschelte in schärfster Zuspitzung, und die trifftdas Gericht genau an der Stelle, an der es verwundbar ist: bei Solidität und Ernsthaftigkeit des Grundrechtsschutzes«, so Hassemer bei der Verleihung desSiebenpfeiffer-Preises an Prantl 1999.

2010 erhielt Prantl den Cicero Rednerpreis für seinen Mut und sein Engagement, für seine Bereitschaft zu Antwort und Urteil. In seiner Dankesrede überraschte er mit der Überzeugung, qualitätsvoller Journalismus habe die guten Zeiten noch vor sich, denn »noch nie hatten Journalisten ein größeres Publikum als nach der digitalen Revolution. Noch nie war Journalismus weltweit zugänglich und es gab noch nie so viel Bedürfnis nach einem orientierenden, aufklärenden, einordnenden und verlässlichen Journalismus wie heute.«

Journalismus wie Heribert Prantl ihn versteht, braucht Bedingungen, die ihn möglich machen. Er hat sich für dieses förderliche Umfeld bei seiner Zeitung bedankt und dies – es wäre nicht Prantl – gleich mit Grundsätzlichem verbunden: »Diese Zeitung hat mir alle Freiheit zum Arbeiten gegeben. Ich habe nie Weisungen, inhaltliche Vorgaben, argumentative Direktiven erhalten, ein journalistisch-imperatives Mandat habe ich nie kennenlernen müssen. Ich habe in meinem Beruf als Journalist erfahren dürfen, was Pressefreiheit ist – am eigenen Schreibtisch, im eigenen Blatt, beim eigenen Schreiben. Pressefreiheit ist eine großeFreiheit; und sie ist eine große Pflicht, eine Verpflichtung zur Anstrengung, zur Sorgfalt, zur Fairness.« (3. Vorlesung am 18. Mai 2011)

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